Luxemburg
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Krisen ohne Ende. Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, die griechische Schuldenkrise, das Ende der quantitativen Lockerung in den USA, der Rohstoffpreiseinbruch, die Konjunkturverflachung und Währungsabwertung in China, der Krieg in der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland: Sie alle trugen dazu bei, dass das starke Wachstum in den Schwellenländern nach zehn Jahren ein Ende fand. Einige dieser Länder trifft die Verlangsamung allerdings stärker als andere.

Entwicklung des Kaffeepreises und der brasilianischen Währung (Real), Basis 100

Quelle: IWF

Das Comeback des IWF

Nach den Zahlungsausfällen der 1980er- und 1990er-Jahre in Lateinamerika, Russland und Asien wurde der IWF in den 2000er-Jahren massiv in Frage gestellt. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz schreibt in seinem Buch, das sich mit der Analyse der jüngsten Krisen und der Rolle internationaler Institutionen in diesem Zusammenhang befasst: „Der IWF hat auf all seinen Tätigkeitsfeldern Fehler gemacht: Entwicklung, Krisenmanagement und Förderung der marktwirtschaftlichen Systemumstellung ehemaliger Zentralverwaltungswirtschaften.“ Von Stiglitz bis zum ehemaligen griechischen Finanzminister Varoufakis – sie alle üben scharfe Kritik am IWF. Die wichtigsten Schwellenländer gingen sogar so weit, mit der New Development Bank (NDB) eine Alternative vorzuschlagen – 70 Jahre nach der Gründung des IWF. Die im Juli 2014 errichtete NDB verfügt über ein Kapital von 100 Milliarden USD und soll vorrangig Infrastrukturprojekte sowie nachhaltige Entwicklungsprojekte finanzieren. Das südafrikanische Stromversorgungsunternehmen Eskom profitiert beispielsweise von ihren Finanzierungen.

Die 2008er-Krise half dem IWF, der seit jeher als Garant der weltweiten Finanzstabilität galt, wieder in den Sattel. Ein Beleg hierfür ist die Entwicklung seiner Darlehensvergabe, die im vorangehenden Jahrzehnt noch in einem Tief gesteckt hatte. Griechenland war 2012 eine der ersten Volkswirtschaften, die beim IWF um Unterstützung bat. Im März 2012 genehmigte der IWF dem Land ein Darlehen über 28 Milliarden Euro.

In der Folge, vor allem im Jahr 2015, schloss der IWF weitere Abkommen mit verschiedenen Ländern, u.a.:

  • Flexible Kreditlinien für Mexiko und Polen über 47 Milliarden bzw. 15,5 Milliarden SZR (*) (67 bzw. 22 Milliarden USD).
  • Dreijährige Kredite im Rahmen der Erweiterten Fondsfazilität für die Ukraine mit einem Gesamtvolumen von 12,3 Milliarden SZR (17,5 Milliarden USD).

Die Ukraine profitiert nicht nur von der Erweiterten Fondsfazilität, sondern – genau wie andere Länder – auch von technischer Hilfe.

Ausstehende Darlehen nach Kategorien zwischen 1990 und 2014

 

 

Quelle: IWF

Abwertung als Stein der Weisen

Unabhängig von den Entwicklungen in der Eurozone (soziale Spannungen, verstärkte Proteste oder Durchbruch der populistischen Parteien von Madrid bis Paris) ist festzustellen, dass sich verschiedene Schwellenländer in den Jahren der stark steigenden Rohstoffpreise zu massiven Ausgabensteigerungen hinreißen ließen. Griechenlands Schuldenkrise erwies sich als Vorbote dessen, was in anderen Regionen weltweit folgen würde.

Mehrere Länder bauten in den 2000er-Jahren Schulden und Defizite auf, die in dem Moment, als die Preise einknickten, nicht mehr finanzierbar waren. Beispiele hierfür sind u.a. Brasilien und Venezuela. Reformen, die den Grundstein für nachhaltiges Wachstum legen sollten, genügten – sofern sie überhaupt eingeleitet wurden – leider nicht.

Brasilianischer Leistungsbilanzsaldo (in % des BIP)

Quelle: Trading Economics

Die Hilfe internationaler Institutionen reichte nicht aus, um das Problem der verschlechterten Staatsfinanzen in diesen Ländern in den Griff zu bekommen. Auf der Suche nach Lösungen wurden auch Währungsabwertungen und die Freigabe der Wechselkurse nicht ausgeklammert. China und Argentinien waren die ersten, die Anfang 2014 in diese Richtung aktiv wurden. Mehrere andere Länder, in erster Linie Rohstoffexporteure wie Russland, Kasachstan, Nigeria oder Venezuela, schlossen sich an. Russlands Notenbank gab den Rubel nach einem Einbruch um fast 30% gegenüber dem USD im November 2014 weitgehend frei, behielt sich jedoch das Recht vor, im Bedarfsfall zu intervenieren. Der Hintergrund: Die Devisenreserven des Landes waren zwischen November 2013 und November 2014 von 475 auf 373 Milliarden USD geschmolzen – hauptsächlich durch Stützungskäufe für den Rubel.

Fluktuation des chinesischen Yuan und des koreanischen Won gegenüber dem USD

 Quelle: Bloomberg

Abwertungen und Kursrückgänge der Währungen verschiedener Schwellenländer

 

 Quelle: Bloomberg

Wir wollen – ohne zu sehr in die Theorie einzusteigen – einen kurzen Blick auf die Ziele der Länder werfen, die ihre Währung abwerten:

  • Kapitalbilanz: Begrenzung des drastischen Abschmelzens der Währungsreserven, da die Länder häufig Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Ausland haben (z.B. hohe Verschuldung in USD).
  • Haushaltssaldo: Behebung des Einnahmerückgangs, indem der Wert der ausländischen Einnahmen in lokaler Währung gesteigert wird.
  • Handelsbilanz: Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, mehr Exporte. Indirekt können sich hieraus ein Produktionsanstieg und ein Rückgang der Arbeitslosigkeit ergeben.

Viele Länder, deren Währung an Wert verloren hat, vermelden derzeit steigende Exporte. Dies trifft vor allem auf Staaten zu, die stark vom verarbeitenden Gewerbe geprägt sind (und weniger auf Nettoexporteure von Rohstoffen). Wie die nächste Grafik zeigt, bestehen jedoch auch gewisse regionale Unterschiede. Die europäischen Schwellenländer sind am erfolgreichsten.

Veränderung der Exporte der Schwellenländer nach Regionen ggü. Vorjahr in %

 Quelle: Capital Economics

Allheilmittel noch nicht gefunden

IWF-Unterstützung oder eine schwächere Währung sind nur einige Mittel, die ins Straucheln geratene Länder gewählt haben. Diese Mittel reichen jedoch nicht aus, um die strukturellen Probleme zu beheben. Insbesondere die Verschuldung des Unternehmenssektors scheint eine wichtige Variable der Gleichung zu sein. Die Unternehmen der Schwellenländer stehen vor immer größeren Schwierigkeiten. Einige wie Pemex müssen aufgrund fraglicher Ertragsperspektiven restrukturiert oder rekapitalisiert werden. In Malaysia und Brasilien sehen sich 1MDB und Petrobras mit erheblichen Governance-Problemen konfrontiert. Die zuvor beschriebenen Heilmittel stellen nur eine erste Etappe auf der Suche nach Lösungen dar.

 

 

(*) Sonderziehungsrechte - Wechselkurs SZR/USD: 0,71103, Stand 30. April 2015 - Quelle: IWF

Jean-Philippe Donge, Head of Fixed Income

Nach Abschluss seines Studiums als Wirtschaftsingenieur an der belgischen Louvain School of Management führte Jean-Philippes Weg nach Finanzzentrum Luxemburg. Er kam 2001 zur Abteilung Asset Management der Banque de Luxembourg. Nach dreijähriger Tätigkeit in den Bereichen Analyse und Research ist Jean-Philippe auf die Übernahme eines Fonds vorbereitet: 2003 übernahm er das Management einiger Rentenfonds der Sicav BL, darunter den mehrfach ausgezeichneten BL-Global Bond, der mehrfach prämiert wurde, unter anderem als bester europäischer Rentenfonds in Euro.

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