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Nach den verschiedenen Krisen in den Entwicklungsländern sind einige Prinzipien der Entwicklungspolitik aus den 1980er-Jahren grundlegend in Frage gestellt worden, u. a. auch der Washington Consensus. Regierungen aus Lateinamerika und Afrika sowie mehrere renommierte Wirtschaftswissenschaftler bemängelten die strukturellen Anpassungspläne des Washington Consenus – einige gingen sogar so weit, sie als strukturelle Verarmungspläne zu qualifizieren.

Eine nicht tragfähige Schuldenlast 

In Subsahara-Afrika kletterte die Verschuldung in den meisten Ländern nach der Unabhängigkeit auf ein nicht tragfähiges Niveau. 1996 starteten die Weltbank und der Internationale Währungsfonds eine Initiative zur Reduzierung der Schuldenlast hochverschuldeter armer Länder (heavily indebted poor countries –HIPC). Diese so genannte HIPC-Initiative schuf einen Referenzrahmen, in dem alle, also auch multilaterale, Gläubiger den ärmsten und am stärksten verschuldeten Ländern der Welt eine Schuldenerleichterung einräumen und so die negativen Folgen des Schuldendienstes für das Wirtschaftswachstum und den Kampf gegen die Armut in diesen Ländern verringern konnten. (1)

Bild: Ozumba Mbadiwe Way, Victoria Island 

Quelle: Afrikanische Entwicklungsbank

 

Günstiges Umfeld, neue Realitäten

Viele der betroffenen Länder, die überwiegend südlich der Sahara liegen, verschuldeten sich in den vergangenen Jahren erneut. Statt jedoch multilaterale Schulden aufzunehmen, haben diese Staaten nun direkt am Finanzmarkt Emissionen begeben und so die Auslandsverschuldung wieder erhöht. Infolge dergeldpolitischen Lockerung in den USA, Japan und Europa sowie der weltweit rückläufigen Anleiherenditen trafen diese Anleihen auf eine starke Nachfrage. So entstand ein historisches window of opportunities für Länder, die das Niedrigzinsumfeld nutzen wollten. Neben der geeigneten Konjunktur verlockte auch die gesündere Lage dieser Volkswirtschaften zu einer Erhöhung der Auslandsschulden, ohne dass der Verschuldungsgrad übermäßig gesteigert wurde, selbst wenn sich nun das durchschnittliche Rating allgemein verschlechtert.

Entwicklung der Länderratings in Subsahara-Afrika  

Quelle: Standard & Poor's 

Im April 2014 aktualisierte Nigeria die Berechnungsgrundlage seines Bruttoinlandsprodukts. Diese Anpassungen zeichneten das Bild einer diversifizierteren Ökonomie, die nicht ausschließlich von Öl und der Landwirtschaft abhängt. Heute dominieren der Dienstleistungssektor und die Industrie außerhalb des Ölsektors die nigerianische Wirtschaft. Nach den neuesten Zahlen ist das Land die größte Volkswirtschaft des Kontinents – noch vor Südafrika – mit einem Bruttoinlandsprodukt von 510 Milliarden USD. Das Verhältnis Verschuldung/BIP ist 2014 auf 11% gesunken (vorher 19%). Seither haben 37 weitere afrikanische Länder beschlossen, die BIP-Berechnungsmethode anzupassen.

 Verschuldung/Bruttoinlandsprodukt Nigerias (in %)

Quelle: Trading Economics

   

Zahl der Emittenten auf den Märkten vervielfacht sich 

Aus den vorgenannten Gründen, aber auch aus anderen, enger mit der Dynamik der jeweiligen Volkswirtschaft zusammenhängenden Motiven, entschied sich eine steigende Zahl von Regierungen in Subsahara-Afrika für eine Refinanzierung am Finanzmarkt – in manchen Fällen zum ersten Mal: Namibia erschien 2011 in den Indizes der Schwellenländeremissionen, Angola 2012, und Kenia, Ghana sowie der Senegal bald danach. Als die Elfenbeinküste 2014 Papiere mit einem Volumen von 750 Millionen USD begab, lag die Nachfrage bei knapp fünf Milliarden USD. Der Index JPMorgan EMBI Global Diversified registrierte am Jahresanfang einen Renditeaufschlag von ca. 360 Basispunkten (3,6%) gegenüber US-Treasuries, während das Indexmitglied Senegal 410, Nigeria, Sambia und Gabun 500 sowie Angola, Ghana und Mosambik sogar mehr als 600 Basispunkte über der US-Zinskurve lagen. Diese Niveaus bestätigen die relative Attraktivität dieser „neuen" Schuldner

Allein 2014 sammelten verschiedene Emittenten der Region acht Milliarden USD an den internationalen Märkten ein und markierten damit Standard & Poor's zufolge einen neuen Rekord. Die meisten dieser Emissionen waren überzeichnet. 

Renditeabstand gegenüber US-Treasuries (100 Basispunkte = 1%)

     

Quelle: JPMorgan, Standard & Poor's und BLI

 

Sorgen und Risiken 

Für den afrikanischen Kontinent ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die einzelnen Volkswirtschaften stärker diversifiziert und das Wachstum inklusiver werden müssen. Sonst besteht wieder die Gefahr insolventer Staaten. In Ghana beispielsweise hat sich die öffentliche Verschuldung in den vergangenen sieben Jahren mehr als verdoppelt (55% des Bruttoinlandsprodukts), und das Land enttäuscht nicht nur die Erwartungen der Märkte (Ghana muss einen der höchsten Aufschläge der Region zahlen), sondern auch diejenigen seiner Bevölkerung. Die Inflation kletterte zwischen 2012 und 2015 von 9% auf über 16%, während das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 14% auf 5% zurückging. Hinzu kommen verschiedene Infrastrukturprobleme, u.a. bei der Energieversorgung. Und die Tatsache, dass die Federal Reserve in den USA die baldige Rückkehr der Zinsen zur Normalität verkündet. Diese bevorstehende Leitzinsanhebung zusammen mit einer Aufwertung des USD wird sich massiv auf den Schuldendienst und auf die Kapitalbewegungen auswirken.

 

(1) „The World Bank: a never-ending coup d'état. The hidden agenda of the Washington Consensus", 15. März 2003, Eric Toussaint.

Jean-Philippe Donge, Head of Fixed Income

Nach Abschluss seines Studiums als Wirtschaftsingenieur an der belgischen Louvain School of Management führte Jean-Philippes Weg nach Finanzzentrum Luxemburg. Er kam 2001 zur Abteilung Asset Management der Banque de Luxembourg. Nach dreijähriger Tätigkeit in den Bereichen Analyse und Research ist Jean-Philippe auf die Übernahme eines Fonds vorbereitet: 2003 übernahm er das Management einiger Rentenfonds der Sicav BL, darunter den mehrfach ausgezeichneten BL-Global Bond, der mehrfach prämiert wurde, unter anderem als bester europäischer Rentenfonds in Euro.

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