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Seit dem Erdrutschsieg der liberaldemokratischen Partei unter Shinzo Abe bei der japanischen Parlamentswahl im Dezember 2012 ist ein Begriff in aller Munde: Abenomics. Er beschreibt eine neue Wirtschaftspolitik mit einer Reihe von Maßnahmen, die Japans Wirtschaftskrise durchbrechen und der anhaltenden Deflation ein Ende bereiten sollen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick darüber, wofür Abenomics steht, warum die Politik eingeführt wurde, welche Risiken damit verbunden sind und wie sie unsere Anlageentscheidungen in Japan beeinflusst.

Abenomics – Was? Warum? Wie?

Japans neuer Premierminister Abe und seine Regierung haben mit der Neuausrichtung der Wirtschaftspolitikeinen der aggressivsten Schritte in der Geschichte des Landes gewagt. Die Ziele des Programms: Japans seit Jahrzehnten stagnierende Wirtschaft soll belebt werden. Gleichzeitig will man die Deflationsspirale durchbrechen, die bislang die Unternehmensinvestitionen und den privaten Verbrauch gebremst hat. Die folgende, an das „Abenomics Handbook" von Nomura angelehnte Grafik stellt die drei Säulen des Programms – Geldpolitik, fiskalpolitische Konjunkturprogramme, Strukturreformen – mit den jeweils geplanten Maßnahmen und Zielsetzungen vor. Im Sprachgebrauch von Shinzo Abe werden diese Säulen häufig auch als drei Pfeile bezeichnet, die jeder für sich genommen leicht zu brechen, gemeinsam aber kaum zu biegen sind.

Lesern, die sich eingehender mit dem Thema befassen möchten, empfehle ich einen Artikel, den Matthew Boesler auf Business Insider veröffentlicht hat. Er bietet ausführliche Erläuterungen zu den drei Säulen der Abenomics.

Bekannte Keynesianer wie Joseph Stiglitz und Paul Krugman haben den Abenomics bereits ihre Zustimmung signalisiert: Joseph Stiglitz hat gesagt, „es spricht viel dafür, dass Japans Strategie zur Verjüngung der Wirtschaft von Erfolg gekrönt sein wird". Paul Krugman wiederum verweist auf die ersten Erfolge des Programms. Er bestätigt, dass „die Zeichen gut stehen", da die Aktienkurse steigen, während Japans Exporte dank des Yen-Rückgangs wieder an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.

Die Risiken der Abenomics

Regierung und Zentralbank haben gerade erst mit der Implementierung des Programms begonnen. Deshalblässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, ob sie den richtigen Weg beschreiten und wie sich das „Experiment" auf lange Sicht entwickeln wird. Bei der Frage, ob die für den langfristigen Erfolg der Abenomicsentscheidenden Strukturreformen erfolgreich umgesetzt werden können, hegen einige Beobachter Skepsis. Eine Liberalisierung der strengen Arbeitsgesetze ist unumgänglich, könnte jedoch den Widerstand der Gewerkschaften provozieren. Reformen in der Landwirtschaft wiederum sind nur schwer umzusetzen, da sie unweigerlich kleine landwirtschaftliche Betriebe treffen werden, die eine bedeutende Unterstützerbasis von Abes Partei darstellen. In einem Artikel des Economist wurde kürzlich aufgezeigt, welche Probleme die Umsetzung drastischer Reformen birgt. Der Autor stellt fest, dass die meisten radikaleren Reformideen im strategischen Plan für Wirtschaftswachstum, den die Regierung Anfang Juni vorgestellt hat, nicht mehr enthalten waren.

Die ersten beiden Säulen der Abenomics gehen jedoch ebenfalls mit Risiken einher. Das Programm mag in seinem Umfang einmalig sein – ein Teil der Maßnahmen, z.B. die Kombination aus fiskalpolitischen Konjunkturprogrammen und aggressiver geldpolitischer Lockerung, wurde jedoch bereits in den meisten Industrieländern durchgeführt, und das mit manchmal unbequemen Folgen. Guy Wagner hat in seinem Beitrag „Ende der Krise?" die wichtigsten Probleme dieser Politik aufgezeigt: Steigende Verschuldungsowie künstlich niedrige, langfristig nicht tragbare Zinsen. Für ein Land wie Japan bedeutet dies nichts Gutes: Aufgrund der sehr hohen Staatsverschuldung kann bereits ein geringfügiger Anstieg der Renditen das Haushaltsbudget empfindlich belasten, da knapp die Hälfte von Japans Schulden innerhalb der nächsten drei Jahre fällig werden. Höhere Anleiherenditen lassen sich jedoch nicht ganz ausschließen: Wenn es Abe gelingt, die Inflation anzukurbeln und die Verbraucherstimmung zu beflügeln, könnte die Nachfrage nach JGBs schwinden. Denn Verbraucher würden unter diesen Voraussetzungen vermutlich eher dazu tendieren, derzeit am Anleihemarkt geparktes Geld zurückzuholen und auszugeben und/oder aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten ihr Sparvermögen zu reduzieren. Infolge des strukturellen demografischen Gegenwinds ist Japans Sparquote jedoch bereits auf einen der tiefsten Punkte in der Geschichte angelangt. Da immer mehr Menschen das Rentenalter erreichen und von ihrem Ersparten leben, muss zudem mit einem weiteren Rückgang gerechnet werden.

Öffentliche Bruttoschuldenquote und Sparquote der privaten Haushalte in Japan

Quelle: Bloomberg

Doch es zeichnen sich noch weitere Risiken ab, die aus dieser aggressiven Politik resultieren. Sollten Teilbereiche der Abenomics nicht wie beabsichtigt verlaufen, könnte auf Japans Verbraucher einewachsende Divergenz zwischen ihrem Einkommen und ihren Lebenshaltungskosten zukommen, da die Importpreise infolge des niedrigeren Yen steigen, während die Unternehmen möglicherweise noch zögern, die Löhne und Gehälter anzuheben. Die Verbrauchssteuer von derzeit 5% wird sicherlich ansteigen. All dies könnte zu einem rückläufigen Binnenkonsum führen – also zum Gegenteil dessen, was die Abenomics bezwecken. Da der private Verbrauch die mit Abstand größte BIP-Komponente darstellt, ließe sich eine Lücke weder über höhere Exporte noch über mehr öffentliche Ausgaben kompensieren.

Ferner besteht die Gefahr, dass die expansive Geldpolitik das Entstehen neuer Finanzblasen auslöst. Dabei handelt es sich um ein grundsätzliches Problem, dem Fundamentalanleger wie wir gegenüberstehen. Denn niemand kann die eventuellen Resultate der unorthodoxen Geld- und Fiskalpolitik sowie deren Auswirkungen auf die Börsen vorhersehen. Nach der Ankündigung der vorgezogenen Neuwahlen Mitte November 2012 unternahm die Börse einen Höhenflug (+80%), bevor sie Mitte Mai wieder einbrach. Viele Anleger beunruhigte dies. Der Volatilitätsanstieg verdeutlicht die hohe Unsicherheit und trägt sicherlich nicht dazu bei, das Anlegervertrauen wiederherzustellen oder rationales Anlageverhalten in Japan zu fördern.

Anlagen vor dem Abenomics-Hintergrund

Nach Jahrzehnten voller Enttäuschungen spricht die Stimmung an Japans Börse nicht für Investitionen auf Basis der Fundamentaldaten. Die meisten Japaner meiden die Börse – nur ein geringer Anteil ihres Vermögens ist in Aktien investiert. Wer noch am Aktienmarkt aktiv ist, betrachtet dies weniger als Anlagemöglichkeit denn vielmehr als Glücksspiel. Die meisten internationalen Anleger haben Japan untergewichtet, und viele, die ein Japan-Engagement wünschen, investieren in regelmäßigen Abständen in bestimmte Themen, ohne allzu sehr auf die Fundamentaldaten oder Bewertungen der Unternehmen zu achten. Das aktuelle Anlagethema in Japan heißt eindeutig Abenomics: Ausgehend von Annahmen, die sich erst bewahrheiten müssen, bzw. von ersten Erfolgen, die sich noch als nachhaltig erweisen müssen, klettern die Kurse munter nach oben.

Die Grenzen unseres Investmentansatzes

Wir verfolgen einen Bottom-up-Anlageansatz auf Basis der Fundamentaldaten, während Makrotrends kaum in unsere Anlageentscheidungen einfließen – unsere Kaufziele sind rentable Unternehmen mit einer gesunden Bilanz, die über einen Wettbewerbsvorsprung verfügen und so langfristig Shareholder-Value schaffen können. Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Unternehmensbewertung: Wir investieren nur in Unternehmen, wenn der Aktienkurs einen Abschlag auf den inneren Wert des Unternehmens bietet. Aufgrund unseres langfristigen Anlagehorizonts gehen wir keine kurzfristigen Wetten auf ein positives Resultat der Abenomics ein: Wir investieren nicht in die typischen Abenomics-Gewinner. Seit dem Beginn der Rallye jagen die Anleger vor allem Werten mit hohem Beta sowie Aktien aus der Makler- bzw. Immobilienbranche u.Ä. hinterher. In den meisten Fällen schnitten hoch verschuldete Unternehmen besser ab als konservativer aufgestellte Firmen, und SmallCaps übertrafen Standardwerte. All dies spielte uns nicht wirklich in die Karten.

Zudem wurden die Preise für bekannte Qualitätswachstumsunternehmen, die bereits vor der Rallye teuer waren, von den Anlegern weiter in die Höhe getrieben und diese sind nun noch teurer. Unternehmen wie der Fast Retailing-Konzern (u.a. Bekleidungseinzelhändler Uniqlo), Shimano (weltweit führend bei Fahrradteilen) oder Sysmex (weltweite Nr. 1 für klinische Labors) profitierten von der liquiditätsgetriebenen Aktienrallye: Ihr Name ist bekannt, und aus Sicht eines Anlegers, der in Japan nach Wachstum sucht, sind sie definitiv ein Anlagekandidat. Fast Retailing beispielsweise ist das mit Abstand größte Indexgewicht des Nikkei 225 (10% des Index). Solche Unternehmen würden – ausgehend von den Fundamentaldaten – hervorragend in unser Portfolio passen. Aufgrund des deutlichen Aufschlags auf ihren inneren Wert kommen sie für uns derzeit jedoch nicht als Anlageziel in Betracht.

Attraktive Renditen bei geringerer Volatilität

In einem Markt, in dem langfristiges Investieren auf der Basis von Fundamentaldaten nicht sehr hoch angesehen ist, kann unsere Methode manchmal frustrierend sein. Dennoch sind wir überzeugt, dass sich derAnsatz, Qualitätsunternehmen zum richtigen Preis zu kaufen, letztendlich auszahlt – auch in Japan. Irgendwann werden Anleger wieder zwischen guten und schlechten Unternehmen differenzieren und darauf achten, welchen Preis sie zahlen. Die Unternehmen, in die wir investieren, werden nicht nur in einem günstigen Umfeld in der Lage sein, gute Ergebnisse zu erzielen. Sie dürften sich auch behaupten können, wenn die Abenomics hinter den Erwartungen zurückbleiben. Dadurch, dass wir neben den Fundamentaldaten auch einen starken Akzent auf die Aktienbewertung legen, sollten sie langfristig bei einer im Vergleich zum Markt deutlich niedrigeren Volatilität gute Ergebnisse liefern. Diese Überzeugung bestätigt sich, wenn man die Performance- und Volatilitätsdaten unseres Aktien-Japan-Fonds seit Auflegung mit denen des Gesamtmarktes vergleicht. 

Performanceentwicklung und Volatilität des BL-Equities Japan im Vergleich zum Topix TR seit seiner Auflegung (28.06.2011 - 31.08.2013) 

In welche Unternehmen investieren wir?

Wenngleich Makrotrends nicht die Grundlage unserer Anlageentscheidungen bilden, streben wir dennoch Positionen in Unternehmen aus Branchen mit guten Wachstumsaussichten an. Unsere Unternehmen sollen definitiv von einem potenziellen Abenomics-Erfolg profitieren – aber nicht davon abhängig sein. Und wir sind überzeugt, dass dies aufgrund der guten Positionierung in ihren Segmenten bei unseren meisten Anlagezielen auch nicht der Fall ist. Hier einige Beispiele:

Exportunternehmen

Die Abenomics haben bereits zu einer Schwächung des Yen geführt. Wenn sich diese Entwicklung als nachhaltig erweist, dürften die Exporte ansteigen. Unternehmen wie Fanuc und Keyence (starke Position in der Fabrikautomatisierung) oder Murata Manufacturing und Nitto Denko (führende Hersteller von Komponenten mit hohem Mehrwert für mobile Endgeräte) sind gut aufgestellt, um hieraus Kapital zu schlagen. Doch auch wenn die Abenomics scheitern sollten, werden diese Firmen aufgrund ihres technologischen Vorsprungs gegenüber ausländischen Konkurrenten herausstechen.

Marktführer auf dem einheimischen Konsumgütermarkt

Außerdem dürften die Abenomics den Binnenkonsum ankurbeln. Kundenfokussierte, auf Wachstum und Rentabilität ausgerichtete Einzelhändler wie ABC-Mart, Don Quijote oder Nitori Holdings sind gut positioniert, um hiervon zu profitieren. Selbst im Falle eines Misserfolgs der Abenomics dürften sie Marktanteile zulasten schwächerer, weniger rentabler Konkurrenten hinzugewinnen.

Know-how im Gesundheitsbereich

Die Abenomics zielen auch darauf ab, das japanische Know-how im Gesundheitsbereich bekannter zu machen. Unternehmen wie Nihon Kohden (Spezialist für das Patientenmonitoring in Kardiologie und Neurologie) und Terumo (größter Hersteller von medizintechnischen Geräten Japan, weltweite Nr.1 bei Produkten für Bluttransfusionen) wird dies zugutekommen. Auch sie sind so positioniert, dass sie in ihrem strukturell günstigen Umfeld weiter wachsen können, selbst wenn den Abenomics kein Erfolg beschieden ist.

Investitionen in die Infrastruktur

Wiederaufbaumaßnahmen, Ausgaben für öffentliche Bauprojekte und die Förderung von Infrastrukturexporten spielen Namen wie Komatsu (führender Hersteller von Bau- und Bergbaumaschinen) und JGC (eine der weltweit größten Engineering-Gesellschaften und Spezialist für die Entwicklung von Industriearealen zur Verflüssigung von Erdgas) zu. Ihren guten Ruf in den jeweiligen Geschäftsfeldern verdanken diese Unternehmen ihrem Know-how, ihrer Größe und ihrer Servicequalität. Und Letztere dürfen sie auch verteidigen können, wenn der Erfolg der Abenomics ausbleibt.

Fokus auf Qualität wird sich auszahlen

Gelingt es der japanischen Regierung, ihren Schritt nachhaltig zu untermauern und wachstumsfreundliche Gesetzesreformen folgen zu lassen, ohne die Unterstützung der Bevölkerung zu verlieren, könnten sich die Perspektiven für die weltweit drittgrößte Volkswirtschaft aufhellen, und der bereits mehrere Jahrzehnte andauernde Bärenmarkt in Japan könnte ein Ende finden. Allerdings gehen damit enorme Risiken einher.Wir möchten nicht auf ein bestimmtes Szenario wetten und hätten hierfür auch nicht die Kapazität. Aber wir sind überzeugt, dass sich unser Fokus auf Qualitätswerte mit einem Abschlag auf den inneren Wert auszahlen wird – ganz gleich, welches Schicksal den Abenomics bevorsteht.

Steve Glod, Equity Fund Manager

Steve ist seit 2001 in der Abteilung Finanzanalyse und Vermögensverwaltung der Bank tätig. Seit 2011 zeichnet er für das Management von japanischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Zwischen 2005 und 2010 war er zusammen mit Luc Bauler verantwortlich für das Investmentmanagement amerikanischer Aktien für die Fonds der Bank. Steve hat an der ETHZ Zürich Maschinenbau mit Spezialisierung Betriebswirtschaft studiert, als Maschinenbauingenieur abgeschlossen und anschließend in diesem Fach promoviert. 2002 erwarb er den Finanzanalysten-Abschluss CEFA.

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