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Die Berichtssaison geht ihrem Ende zu. Unternehmen sind sehr geschickt darin geworden, die Gewinnerwartungen der Investoren zu lenken und ihre Ergebnisse zu präsentieren - insbesondere in den USA - so dass es schwierig ist, die Qualität dieser Ergebnisse zu beurteilen und manchmal auch nur die einfache Frage zu beantworten, ob die Gewinne nun gestiegen, gesunken oder gleich geblieben sind. Wenn ein Unternehmen "über Erwarten gute" Ergebnisse veröffentlicht, bedeutet dies noch nicht dass diese wirklich gut sind oder auch nur gestiegen sind. In vielen Fällen wird damit einfach nur ausgedrückt, dass man (noch) schlechtere Ergebnisse erwartet hatte.

Wie ist die Gewinnentwicklung der Unternehmen nun also verlaufen? Die folgende Grafik zeigt diese Entwicklung für die wichtigsten Regionen: für die USA, Europa und Japan in lokaler Währung, für die Emerging Markets in US-Dollar. (Die Gewinne sind dabei die der vergangenen zwölf Monate.)

Entwicklung der Unternehmensgewinne

Quelle: Morgan Stanley

Einige Beobachtungen:

- Die einzige Region, in der die Gewinne heute deutlich höher sind als vor der Krise, sind die USA.

- Das Gewinnwachstum in den USA erklärt sich vor allem durch strenge Kostenkontrolle und durch Aktienrückkäufe und nicht durch einen Anstieg der Umsätze. Daher liegen die Gewinnmargen der amerikanischen Unternehmen derzeit weit über dem historischen Durchschnitt.

- Doch selbst in den USA ist derzeit kein Gewinnwachstum mehr zu erkennen. Gegenüber dem 3. Quartal 2014 sanken die Umsätze und der Gewinn je Aktie der Unternehmen im S&P 500 um geschätzte 5 % bzw. um 1 % (z. T. aufgrund des gestiegenen US-Dollars).

- Die schwachen Umsätze dürften nicht verwundern: Sie sind eine direkte Folge des schwachen nominalen Konjunkturwachstums . Die folgende Grafik veranschaulicht die Schwäche des Welthandels.

Wachstum des Welthandels (jährliche Änderung)

 

Quelle: Bloomberg

- Auch wenn Unternehmen ihre Kosten steuern können, um ihre „Bottom-line" (d. h. den Gewinn) zu verbessern, so hängt ihre „Top line" (der Umsatz) doch direkt vom Wirtschaftswachstum ab. Wie die folgende Grafik zeigt, ist das Umsatzwachstum je Aktie niedriger als vor der Finanzkrise.

Umsatzwachstum je Aktie in den USA und im Euroraum (jährliche Änderung)

Quelle: CLSA

 - In den Emerging Markets ist der Gewinnrückgang in den vergangenen Quartalen zum Teil auf die Abwertung der lokalen Währungen gegenüber dem US-Dollar zurückzuführen (zur Erinnerung: In der obigen Grafik waren die Gewinne in USD dargestellt). Es ist jedoch immer noch so, dass die Börsenindizes dieser Länder häufig von exportierenden Unternehmen dominiert werden; diese wiederum leiden unter dem schwachen Wachstum in den Industriestaaten.

- Die Gewinnentwicklung in Europa ist besonders enttäuschend und rechtfertigt keinesfalls den Anstieg der Kurse. Die Gewinne liegen sogar unterhalb ihres Niveau von vor drei Jahren; der Markt hingegen ist seither um 40 % gestiegen.

- Man könnte das Glas zwar halbvoll sehen und meinen, Europa stehe ein Anstieg der Unternehmensgewinne bevor, der von dem schwächeren Euro unterstützt wird. Die jüngst angekündigten Ergebnisse sind diesbezüglich jedoch wenig ermutigend, und anders als noch vor einigen Wochen gehen Analysten für das laufende Jahr insgesamt nicht mehr von steigenden Gewinnen aus.

- Anhaltendes Gewinnwachstum wird immerhin aus Japan gemeldet. Der japanische Markt ist damit der einzige, der in den vergangenen Jahren nicht deutlich teurer geworden ist; der Kursanstieg spiegelt lediglich das Wachstum der Unternehmensgewinne wider. Der höhere Druck lokaler institutioneller Anleger auf die Unternehmen zur Steigerung der Rentabilität dürfte helfen, dass sich der günstige Gewinnwachstumstrend fortsetzt.

Zusammengefasst haben wir in den vergangenen Jahren eine sehr unterschiedliche Entwicklung von Gewinnen und Börsenkursen erlebt, insbesondere in Europa. Anders gesagt: Der Kursanstieg erklärt sich zu einem großen Teil durch einen Anstieg des Bewertungsniveaus und nicht durch wachsende Unternehmensgewinne. Dies mag in einem Niedrigzinsumfeld gerechtfertigt sein. In einem solchen Umfeld werden Anleger sogar manchmal bestraft, wenn sie zuviel Gewicht auf die Fundamentaldaten legen. Schließlich geht man davon aus, dass die Börsenkurse den aktuellen Wert der künftig erzielten Unternehmensgewinne darstellen. Diskontiert man die zukünftigen Gewinne mit einem Zins nahe null, geht dieser Börsenwert theoretisch gegen unendlich. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Entkopplung von Fundamentaldaten und Börsenkursen beunruhigend ist.

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Guy Wagner stammt aus einer Unternehmerfamilie in Luxemburg und besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Université Libre Brüssel. Er trat 1986 in die Banque de Luxembourg ein, wo er zunächst die Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management leitete, bevor er 2005 zum Geschäftsführer von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer neu gegründeten Verwaltungsgesellschaft, ernannt wurde.

Seit Juli 2022 widmet er sich ausschließlich seiner Rolle als Chief Investment Officer, dem Portfoliomanagement und der Leitung des Teams, das für die Verwaltung der verschiedenen Fonds verantwortlich ist.

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