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Schwacher Dollar oder starker Euro?

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Der Euro überrascht weiterhin mit seiner Stärke. Obwohl Europa dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine wesentlich mehr ausgesetzt ist als die USA und durchaus mit einer Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar zu rechnen gewesen wäre, belastet das geopolitische Klima die Gemeinschaftswährung offenbar nicht. Doch was verbirgt sich wirklich dahinter – ein starker Euro oder ein schwacher US-Dollar? Zahlreiche Beobachter sind überrascht, dass der US-Dollar angesichts des im Vergleich zur Eurozone deutlich kräftigeren US-Wachstums, der 50% niedrigeren Arbeitslosenquote sowie der erheblich geringeren Energiekosten nicht aufwertet.

Viel Lärm um nichts

Zunächst sollte die Schwäche der US-Währung relativiert werden, bevor sich Marktteilnehmer auf Ursachenforschung begeben: Das aktuelle Niveau des US-Dollar gegenüber dem Euro liegt nicht sehr weit vom Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre entfernt. In diesem Zeitraum markierte das Währungspaar EUR/USD bei 1,50 (Oktober 2009, April 2011) sein Hoch und bei 1,20 (Juni 2010, Juli 2012) sein Tief, im Schnitt handelte es jedoch bei 1,35. Seit September 2012 bewegt sich der Wechselkurs im Wesentlichen in einer Spanne zwischen 1,30 und 1,40. Über das gesamte 1. Quartal 2014 gab es kaum Veränderungen – der US-Dollar beendete das Quartal fast exakt auf dem Anfangsniveau.

Wenn der US-Dollar bezogen auf den Euro auch relativ schwach sein mag: Gegenüber anderen Währungen ergibt sich ein ganz anderes Bild: Der handelsgewichtete Index des USD (trade-weighted USD index), der die Entwicklung gegenüber den wichtigsten Handelspartnern der USA abbildet, stieg in den zurückliegenden zwölf Monaten sogar leicht an. Die US-Währung wertete in diesem Zeitraum vor allem gegenüber dem Yen und den Schwellenländerwährungen auf.  

Wechselkurs EUR/USD (über 5 Jahre)

 

Elemente, die den Euro unterstützen

Somit sollte eher von einem starken Euro die Rede sein als von einem schwachen US-Dollar. In einem von geringem Wirtschaftswachstum und deflationistischen Tendenzen geprägten Umfeld scheint die Stärke des Euro allerdings dennoch nicht sofort selbstverständlich. 

Sie erklärt sich vor allem durch folgende Elemente:

  • Erhöhung des Leistungsbilanzüberschusses der Eurozone

Die Leistungsbilanz der Eurozone verzeichnete im Jahr 2008 noch ein Defizit in Höhe von 2% des Bruttoinlandsprodukts – 2013 wurde ein Überschuss von 2% ausgewiesen. Das Defizit der Peripherieländer besteht nicht mehr, denn infolge der schwachen Binnennachfrage sind die Importe gesunken, und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unterstützten die Exporte. Gleichzeitig stieg der deutsche Leistungsbilanzüberschuss weiter an. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet ein Leistungsbilanzüberschuss, dass das Ausland mehr Euro kauft als die Europäer verkaufen. 

  • Interesse ausländischer Anleger an den Finanzmärkten der Eurozone

Seit EZB-Chef Draghi im Juli 2012 bekannte, dass alles zur Wahrung des Euro unternommen würde, sind die ausländischen Anleger wieder an die Finanzmärkte der Eurozone zurückgekehrt. Vor allem an der Entwicklung der Aktien- und Rentenmärkte der Peripherieländer ist dies ablesbar. Hierdurch entstand zusätzliche Nachfrage nach Euro.

  • Entwicklung der Zentralbankbilanzen

Während in den USA weiter eine Ausweitung der Zentralbankbilanz zu beobachten ist, schrumpft die Bilanzsumme der EZB seit 2013. Letzteres erklärt sich durch die Rückzahlungen der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (langfristige Kredite der EZB für Banken) sowie die Tatsache, dass die EZB (bisher) auf eine quantitative Lockerung verzichtet. Zudem fährt die Federal Reserve seit dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 im Wesentlichen einen antideflationistischen geldpolitischen Kurs, während die EZB einen deutlich konservativeren Ansatz verfolgt.

  • Andere Faktoren
  • Als weitere Faktoren sind vor allem der Verkauf von US-Staatsanleihen durch China sowie allgemeiner die Reduzierung der vom Ausland bei der Federal Reserve gehaltenen US-Staatsanleihen zu nennen. 

    Wird der Euro nachgeben?

    Anzeichen für eine eventuelle nachhaltige Trendänderung des Euro-Kurses müssten demnach auch als erstes bei diesen Faktoren zu identifizieren sein.

    Beim ersten Element, der Erhöhung des Leistungsbilanzüberschusses der Eurozone, ist nicht mit Änderungen zu rechnen, da die schwache Binnennachfrage die Einfuhren nach Europa weiterhin bremst. DasBeispiel des Yen in den 1990er-Jahren zeigt, dass eine schwache Wirtschaftslage nicht unbedingt mit einer schwachen Währung einhergehen muss. Japans Währung zog in dieser Phase trotz des im Vergleich zu Europa oder den USA deutlich schwächeren Wachstums kräftig an. Wie derzeit in der Eurozone hatte damals eine schwache Binnennachfrage zu immer größeren Außenhandelsüberschüssen geführt, die eine Yen-Aufwertung bewirkten.

    Das zweite Element, das Interesse ausländischer Anleger an den Finanzmärkten der Eurozone, lässt sich per definitionem nicht vorhersagen. Da die Märkte der Peripherieländer nach Meinung vieler Marktbeobachter nach wie vor günstig sind, herrscht im Moment weiterhin reges Interesse.

    Das dritte Element, die Entwicklung der Geldpolitik der US-amerikanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank, wird häufig als Faktor genannt, der den US-Dollar in den kommenden Monaten unterstützen könnte. Dahinter steckt die Idee, dass die Federal Reserve derzeit ihre quantitative Lockerung beendet und im 2. Quartal 2015 erstmals wieder die Leitzinsen anheben könnte. Die EZB könnte hingegen ein eigenes quantitatives Lockerungsprogramm einleiten, wenn sich die deflationistischen Tendenzen innerhalb der Eurozone verstärken sollten. Die jüngsten Äußerungen des Bundesbankpräsidenten wurden zumindest dahingehend interpretiert, dass sich die Bundesbank solchen Maßnahmen nicht mehr widersetzen würde. Unabhängig von der Möglichkeit einer geldpolitischen Lockerung zeigten die Äußerungen von EZB-Vertretern zuletzt, dass das hohe Niveau des Euro und der damit einhergehende Anstieg des Deflationsrisikos der Bank zunehmend Sorgen bereiten.

    Eine eventuelle geldpolitische Straffung in den USA ab dem 2. Quartal 2015 ist jedoch alles andere als sicher. Gewisse Faktoren, die das US-Wachstum im 2. Halbjahr 2013 ankurbelten (Lageraufstockung der Unternehmen, Exporte), lassen allmählich nach. Das große Problem der US-Wirtschaft ist unverändert dasausbleibende Wachstum der verfügbaren Einkommen, denn der private Verbrauch spielt eine zentrale Rolle für das Bruttoinlandsprodukt der USA. Außerdem schössen die Kosten für den US-Schuldendienst im Falle einer Zinsanhebung in die Höhe, und die Haushaltspolitik würde in ernsthafte Probleme stürzen.

    Was die anderen Faktoren angeht, erklärt sich Chinas Verkauf der US-Staatsanleihen vermutlich durch die Absicht der Regierung, den US-Dollar-Anteil an den Devisenreserven zu reduzieren. Dies ist jedoch ein langfristiges Ziel, welches nicht unbedingt verhindert, dass China von Zeit zu Zeit wieder als Käufer von US-Staatsanleihen auftritt.

    Still confused, but on a higher level

    Aus der Analyse der einzelnen Faktoren lässt sich keine eindeutige Schlussfolgerung über den weiteren Kurs von EUR/USD ableiten. Der Versuch, die Entwicklung von Währungen vorherzusagen, bleibt unverändert einschwieriges Unterfangen. Denn im Gegensatz zu Aktien, die eine bewertbare Beteiligung an einem Unternehmen darstellen, haben Währungen keinen inneren Wert. Deshalb lässt sich nur schwer feststellen, ob eine Währung über- oder unterbewertet ist. Theorien wie die der Kaufkraftparität versuchen dies, funktionieren jedoch nur auf (sehr) lange Sicht gut. Im Fall einer Devise wie dem Euro stellt sich zusätzlich das Problem, dass die Eurozone ganz unterschiedliche Länder von Deutschland bis Griechenland umfasst und ein Euro, der für Deutschland zu schwach ist, für Griechenland zu stark sein kann.

    Das Währungsrisiko absichern?

    Die US-Aktien in unseren Portfolios stammen überwiegend von internationalen Unternehmen, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes außerhalb der USA erzielen. Da eine Abwertung des US-Dollar die Gewinne (in USD) dieser Unternehmen erhöht, bieten sie quasi eine natürliche Absicherung gegen eine schwächere US-Währung. Deshalb sichern wir das Wechselkursrisiko aus diesen Positionen nicht ab. Anders sieht es bei US-amerikanischen Staatsanleihen aus, wo wir dieses Risiko durchaus (teilweise oder vollständig) absichern.  

    Ein letzter wichtiger Punkt: In Extremsituationen bewahrt der US-Dollar bislang weiterhin seinen Fluchtwert-Status. Zu den derzeit größeren Risiken zählt eine neue Zuspitzung der Krise innerhalb der Eurozone, auch wenn seit über 18 Monaten eine gewisse Ruhe eingekehrt zu sein scheint. Eine solche Zuspitzung würde im Prinzip zu einem stärkeren Dollar führen. Aufgrund des Reservewährungscharakters des US-Dollar sind die Schwankungen der US-Leistungsbilanz außerdem teilweise eine Folge der Expansions- bzw. Rezessionsphasen der Weltwirtschaft. In Expansionsphasen tendiert die US-Leistungsbilanz zu einem größeren Defizit (einhergehend mit einem schwächeren US-Dollar), während in Rezessionsphasen das Umgekehrte gilt (der Dollar zieht an). Die meisten Analysten rechnen im laufenden Jahr mit einer Beschleunigung der Weltkonjunktur. Allerdings könnten diese Erwartungen aufgrund der zahlreichen strukturellen Probleme enttäuscht werden – mit negativen Folgen für die Börsen. In einem diversifizierten Portfolio stellt der US-Dollar folglich auch eine Art Absicherung des Aktienrisikos dar.

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Guy Wagner stammt aus einer Unternehmerfamilie in Luxemburg und besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Université Libre Brüssel. Er trat 1986 in die Banque de Luxembourg ein, wo er zunächst die Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management leitete, bevor er 2005 zum Geschäftsführer von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer neu gegründeten Verwaltungsgesellschaft, ernannt wurde.

Seit Juli 2022 widmet er sich ausschließlich seiner Rolle als Chief Investment Officer, dem Portfoliomanagement und der Leitung des Teams, das für die Verwaltung der verschiedenen Fonds verantwortlich ist.

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