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Das Jahr 2018 war an den Finanzmärkten gewissermaßen das Gegenteil des Vorjahres: Vor zwölf Monaten hatten die Märkte gerade ein außergewöhnliches Jahr hinter sich, die meisten Indizes waren 2017 in lokaler Währung über 10 % gestiegen. Ein Jahr danach hat sich die Situation völlig umgekehrt: Heute lässt sich kaum ein Index finden, der nicht mindestens 10 % verloren hat.

Dabei haben sich die Unternehmensgewinne gleichzeitig deutlich verbessert. In den USA hieß das, dass die Gewinne der im Standard & Poor‘s vertretenen Unternehmen zwar um 20 % wuchsen, der Index selbst aber 6 % verlor. Das Ergebnis war einer der stärksten Rückgänge des Bewertungsniveaus der vergangenen 30 Jahre. Er erklärt sich zum Teil durch harte Faktoren wie die Zinsstraffungspolitik in den USA; doch auch weiche Faktoren spielten eine Rolle, wie z. B. die Einschätzung des Wirtschaftsumfelds durch die Anleger. Der Optimismus vom Jahresbeginn 2018 ist zum Jahresende einer eher düsteren Einschätzung der wirtschaftlichen Perspektiven gewichen. Am Ende des Sommers war der Markt der Ansicht, auch die USA stünden unausweichlich vor einer Konjunkturabschwächung, was dann den starken Kursrückgang des US-amerikanischen Marktes im vierten Quartal 2018 erklärte. Zudem haben geopolitische Ereignisse, wie vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China, nicht zur Entspannung der Situation beigetragen.

Entwicklung der Aktienmärkte seit Januar 2018 (in lokaler Währung, asiatische Märkte in USD)

Quelle: Bloomberg

Das Jahr 2019 beginnt mit großen Unsicherheiten. Diese betreffen sowohl die Entwicklung der Weltwirtschaft als auch die Politik der Zentralbanken und die geopolitische Situation. Anleger sollten daher keine allzu rigide Strategie verfolgen, sondern bereit sein, ihren Kurs im Laufe des Jahres gegebenenfalls anzupassen. Der kräftige Aufschwung der Aktienkurse in den ersten drei Wochen des Jahres hat zahlreiche Anleger überrascht. Da die Anlegerstimmung häufig von der aktuellen Performance der Märkte beeinflusst wird, litt das Vertrauen der Anleger in die Aktienmärkte zum Jahresende 2018, und so starteten sie vielleicht zu pessimistisch ins neue Jahr.

Trotz des aktuellen Kursanstiegs sollte das Gebot der Stunde zum Jahresbeginn jedoch vor allem der Kapitalerhalt sein und weniger die Suche nach Kursgewinnen. Die erste Jahreshälfte dürfte davon gekennzeichnet sein, dass Wirtschafts- und Unternehmensgewinnprognosen nach unten korrigiert werden. Solange dieser Trend anhält, wird es schwerlich zu einer nachhaltigen Erholung der Aktienmärkte kommen. Eine weniger aggressive Zinsstraffungspolitik der Federal Reserve (bzw. der Verzicht auf weitere Zinserhöhungen) könnte den Märkten Auftrieb verleihen – doch nur dann, wenn sie nicht mit einer übermäßig starken Wirtschaftsabschwächung einhergeht.

Allgemein gesprochen befinden wir uns in einem Stadium, in dem die Bereitschaft der Zentralbanken zur Normalisierung ihrer Geldpolitik auf ein erstes großes Hindernis trifft, nämlich die zyklische Abschwächung der Wirtschaft. Dies wird zu höherer Volatilität an den Finanzmärkten führen. Der veränderte Ton der Federal Reserve zeigt, dass die Zentralbanken die Finanzmärkte weiterhin aufmerksam verfolgen. Es wird für die Notenbanken jedoch immer schwieriger, auf Kursabschwünge zu reagieren, da sich das makroökonomische Umfeld zwischenzeitlich verändert hat. Da die negative Produktionslücke (Differenz zwischen realem und potenziellem Wachstum) schwindet und die Deflationsgefahr nachlässt, wird es schwerer, nicht-konventionelle geldpolitische Maßnahmen zu rechtfertigen. Und welche Instrumente blieben den Währungshütern, falls sich die wirtschaftliche Lage deutlich verschlechtern würde? Die Leitzinsen liegen schon heute weit unter dem Stand von vor der Krise von 2008, die Bilanzen der Notenbanken sind enorm aufgebläht, und die Staatsverschuldung ist noch viel höher als vor zehn Jahren. Daher ist es möglich, dass die Zentralbanken bei einem deutlichen Konjunkturabschwung zu weitergehenden nicht-konventionellen Maßnahmen greifen würden. Unklar ist jedoch, ob diese die gleiche positive Wirkung auf die Finanzmärkte hätten. Denn: Wenn es mit nicht-konventioneller Zinspolitik nicht gelungen ist, die Weltwirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumsweg zurückzuführen – wie sollten es andere, noch weniger konventionelle Maßnahmen dann schaffen?

Es wäre jedoch kontraproduktiv, eine allzu negative Haltung gegenüber den Märkten einzunehmen. Wie oben erwähnt, ist das Bewertungsniveau im vergangenen Jahr erstaunlich stark gesunken. Ein schwierigeres Umfeld scheint also zumindest teilweise schon in den aktuellen Kursen berücksichtigt. Gleichzeitig bleiben die Zinsen auf einem extrem niedrigen Niveau und manche der Faktoren, die die Konjunkturabschwächung bedingt hatten, haben sich zwischenzeitlich umgekehrt: Der Rückgang des Ölpreises und sinkende Anleiherenditen im vierten Quartal 2018 könnten insbesondere den privaten Konsum in den USA stimulieren. Wenn die aktuelle Konjunkturabschwächung nicht zu heftig ausfiele und mehr die Form einer weichen Landung hin zu einem moderaten Wachstum wie in den Jahren 2011 bis 2016 annähme, und wenn die Federal Reserve gleichzeitig ihre Zinserhöhungspolitik beendete, würden die Märkte ausgesprochen positiv reagieren. Die Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in den USA ist derzeit zumindest verfrüht. Festzuhalten ist jedoch, dass die Konjunkturzyklen heute immer stärker das Ergebnis der Entwicklung auf den Finanzmärkten sind. Auch die Rezessionen von 2001/2002 und 2008/2009 waren schließlich Folge von einbrechenden Aktienmärkten. So könnte ein Kursverfall skurrilerweise zu einer Rezession führen, die wiederum rechtfertigen würde, warum die Kurse gefallen sind.

Trotz des gesunkenen Bewertungsniveaus 2018 bleiben die Bewertungen an den meisten Märkten insgesamt hoch, vor allem, wenn man die weit über dem Durchschnitt liegenden Gewinnmargen der Unternehmen betrachtet. Zwei Dinge sind mit Blick auf die Hausse seit 2009 festzuhalten: Zum einen stiegen die Kurse deutlich stärker als die Unternehmensgewinne, so dass sich das Bewertungsniveau der Aktienmärkte erhöht hat. Zum anderen übertraf das Gewinnwachstum bei weitem das Umsatzwachstum, was sich in deutlich höheren Gewinnmargen widerspiegelt. Vor allem in den USA war noch ein dritter Trend zu beobachten: In dem Maße, wie Unternehmen massiv eigene Aktien vom Markt zurückkauften, überstieg der Gewinnanstieg je Aktie deutlich das Gewinnwachstum. Häufig wurden Aktienrückkäufe durch Verschuldung finanziert. In der Folge ist das Verschuldungsniveau von US-Unternehmen gestiegen und liegt heute auf beunruhigend hohem Niveau – vor allem, wenn man die wenigen Technologieriesen aus der Rechnung herausnimmt, die enorm viel Liquidität halten und sehr gesunde Bilanzen aufweisen.

Letztlich ist es das Bewertungsniveau der Aktien, das über die künftige Rendite bestimmt. Nehmen wir z. B. eine Aktie wie Nestlé, die heute mit dem etwa 20-Fachen ihres Gewinns gehandelt wird, und stellen wir uns vor, das Unternehmen schaffe es, seinen Gewinn in den kommenden zehn Jahren um 5 % jährlich zu steigern. Wäre der Markt in zehn Jahren immer noch bereit, das 20-Fache der Gewinne zu zahlen, so läge der Kurs der Aktie bei 135 CHF, und ein Anleger hätte eine jährliche Rendite von 5 % erzielt (zuzüglich der jährlichen Dividende). Sollte der Markt jedoch nur noch bereit sein, das 15-Fache der Gewinne zu zahlen, läge der Kurs lediglich bei 100 CHF, und die jährliche Rendite betrüge nur etwa 2 % (zuzüglich Dividende). Und umgekehrt: Wären Anleger bereit, das 25-Fache der Gewinne zu zahlen, so läge die jährliche Rendite für den Anleger bei 7,5 % (zzgl. Dividende). Dabei bleibt Nestlé in allen drei Szenarien dasselbe Unternehmen, und auch das Gewinnwachstum hätte sich nicht verändert. Das Einzige, das sich ändert, ist der Preis, den Anleger für diesen Gewinn zu zahlen bereit sind. Wie beschrieben, hängt das Bewertungsniveau von harten Faktoren wie dem Zinsniveau ab, aber auch von weichen (und weniger vorhersehbaren) Faktoren wie der Stimmung der Marktteilnehmer und ihrer Einschätzung der Lage.

Aus dem Gesagten folgt: Will man die meisten Trümpfe auf seiner Seite haben und unabhängig sein von einem möglichen Stimmungswechsel der Anleger, sollte man dann kaufen, wenn das Bewertungsniveau niedrig ist. Die große Hausse der 1980er- und 1990er-Jahre hatte 1982 mit sehr niedrigen Bewertungen begonnen. Die Inflationsphase der 1970er-Jahre und der daraus folgende Zinsanstieg hatten zur Folge, dass Aktien von Anlegern massiv vernachlässigt wurden. Anschließend führten Inflationsrückgang und sinkende Zinsen zu einem Anstieg des Bewertungsniveaus. Eine Rolle spielten hier auch günstige geopolitische Entwicklungen wie das Ende des Kalten Krieges und die Globalisierung. Hinzu kam die demografische Struktur der Bevölkerung in den Industrieländern, die das verfügbare Sparvermögen steigen ließ. Diese Entwicklung ist jedoch in Umkehrung begriffen. Das Aufwärtspotenzial der Zinsen scheint erschöpft, die Rückkehr zu einer Politik der nationalen Interessen zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit führt zu wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken, und die demografische Struktur der Bevölkerung hat sich mittlerweile so verändert, dass sie negativ auf das verfügbare Sparvermögen zu wirken droht. Langfristig stehen die Chancen also nicht schlecht, dass das Bewertungsniveau sinkt; umso schwerer wird es dann, mit Aktienanlagen hohe Renditen zu erwirtschaften.

Kurs/Gewinn-Verhältnis und normalisiertes Kurs/Gewinn-Verhältnis des S&P 500 seit 1927

Quelle: Bloomberg, S&P, Dow Jones

Auch in schwierigen Marktsituationen ist es jedoch möglich, intelligent in Aktien zu investieren, sofern man beim Prozess der Wertpapierauswahl einen ausreichend langen Anlagehorizont verfolgt. Unser Ansatz bestand und wird immer darin bestehen, dass wir Qualitätsunternehmen auswählen, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile besitzen, durch die sie eine hohe Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielen können, und die solide Bilanzen vorweisen können, die ihre Eigenfinanzierungskraft belegen. Zahlreiche Beobachter scheinen zurzeit von Aktien dieser Art abzuraten mit dem Hinweis, sie seien zu teuer. Es ist richtig, dass das Bewertungsniveau dieser Unternehmen über dem Durchschnitt liegt. Richtig ist aber auch, dass ihre Bewertungen noch weiter steigen könnten, wenn sich die wirtschaftlichen Perspektiven eintrüben. Im aktuellen Umfeld sollte die Priorität auf eher defensiven Unternehmen liegen, die klare Ertragsaussichten bieten und deren Kurse durch Dividenden unterstützt werden, bis man irgendwann auf zyklische Qualitätsaktien zurückkommt, deren Kurse in vielen Fällen bereits stark gefallen sind. 

Zum Jahresbeginn stellen Marktbeobachter gern die eine oder andere Region in den Vordergrund. Diese Empfehlungen basieren häufig auf dem Bewertungsgefälle, das zwischen den Regionen herrscht. Es ist jedoch festzuhalten, dass diese Bewertungsunterschiede zu einem großen Teil durch die Zusammensetzung der Indizes bedingt sind. Ein Index wie der Standard & Poor‘s 500 ist per se besserer Qualität als die meisten europäischen Indizes, da diese einen höheren Anteil an Branchen oder Unternehmen mit strukturell schwächeren Gewinnmargen enthalten. In Bezug auf das Bewertungsniveau könnte man indes ein Argument für die asiatischen Märkte nennen. Sie litten im vergangenen Jahr unter dem starken Dollar, dem Anstieg der US-Anleiherenditen und der Ungewissheit in Bezug auf China. Der Index für die asiatischen Märkte außerhalb Japans sank auf seinen niedrigsten Stand seit elf Jahren, das Verhältnis Kurs/Buchwert dieser Unternehmen liegt deutlich unter seinem 20-Jahres-Durchschnitt. Der japanische Markt profitiert weiterhin von einigen positiven Faktoren: Japanische Unternehmen verbessern strukturell ihre Rentabilität, ihr Verschuldungsniveau ist niedriger als das ihrer US-amerikanischen und europäischen Mitbewerber, und ihr Bewertungsniveau ist attraktiv.

Entwicklung des MSCI AC Far East ex Japan

Quelle: Bloomberg

In der Baisse des vierten Quartals 2018 haben Gold und hochwertige Staatsanleihen gezeigt, dass sie weiterhin ihren Platz in einem diversifizierten Portfolio haben und Schutz vor dem Aktienrisiko bieten für den Fall, dass die Risikoaversion weiter zunehmen sollte. Für Staatsanleihen könnte sich dies künftig ändern. Durch den starken Anstieg der öffentlichen Verschuldung wird es immer schwerer, Staatsanleihen als „Qualitätswerte“ zu bezeichnen. Unter fundamentalen Gesichtspunkten würde ein Umfeld höherer Inflation dazu führen, dass es zu einer positiven Korrelation zwischen Aktien und Anleihen kommt. Ähnliches geschah Anfang Februar 2018, als Inflationsängste zu einem simultanen Rückgang der Kurse von Aktien und Anleihen führten. Noch scheint es verfrüht, eine Rückkehr der Inflation zu erwarten, doch man sollte wachsam bleiben. Bis dahin dürfte die weltweite Konjunkturabschwächung langfristigen US-Staatsanleihen zugutekommen.

Entwicklung des Goldpreises

Quelle: Bloomberg

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Guy Wagner stammt aus einer Unternehmerfamilie in Luxemburg und besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Université Libre Brüssel. Er trat 1986 in die Banque de Luxembourg ein, wo er zunächst die Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management leitete, bevor er 2005 zum Geschäftsführer von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer neu gegründeten Verwaltungsgesellschaft, ernannt wurde.

Seit Juli 2022 widmet er sich ausschließlich seiner Rolle als Chief Investment Officer, dem Portfoliomanagement und der Leitung des Teams, das für die Verwaltung der verschiedenen Fonds verantwortlich ist.

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