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In den vergangenen Monaten reiste ich zweimal nach Tokio zu Investorenkonferenzen, an denen auch einige der japanischen Unternehmen teilnahmen, in die unsere Fonds investieren. Diese Besuche vor Ort boten eine einzigartige Gelegenheit, um mit der oberen Managementebene der Unternehmen über ihr Geschäft und die aktuelle Lage zu sprechen.

Gleichzeitig ermöglichten mir die Reisen auch einen Eindruck vom Alltag in der größten Metropolregion der Welt. Verschiedene Produkte unserer Portfolio-Werte, die mir bisher nur auf Fotos oder in den Jahresberichten begegnet waren, konnte ich in den Geschäften der Unternehmen direkt begutachten. Einige Erkenntnisse dieser Reisen, aber auch meine Eindrücke von den Unternehmen und Marktsegmenten, in die wir investieren, möchte ich in diesem Artikel vorstellen.

Die verlorenen Dekaden

Das moderne, pulsierende Tokio beeindruckt bereits bei der Ankunft: Vom Flughafen Narita aus gelangt der Besucher mit dem Narita Express bequem in einer Stunde zum Bahnhof Tokios. Dort zeigt sich bereits die sehr fortschrittliche, gut ausgebaute Infrastruktur Japans. Beim Umsteigen in das effiziente U-Bahn-System (Tokios U-Bahn ist die meistgenutzte der Welt) bestätigt sich dieser erste Eindruck. Die sehr eng getakteten U-Bahnen transportieren jeden Tag knapp 10 Millionen Fahrgäste – und haben kaum Verspätungen. Überall in der Stadt begegnen dem Besucher moderne Architektur und Design. Im Geschäftsviertel Ginza erwarten einen vor allem imposante Kaufhäuser, während sich in der berühmten Omotesando-Straße die Läden der führenden Modemarken der Welt aneinanderreihen. Im Stadtbezirk Shibuya und im Viertel Harajuku tummelt sich vornehmlich die jüngere Generation auf der Suche denneuesten Trends. Akihabara hingegen gilt als Elektronikmeile – hier leuchten nachts überall Neonlichter und animierte Leuchtreklamen an den Gebäuden um die Wette.


Elektronikmeile Akihabara

Ganz in der Nähe dieser Einkaufsparadiese gibt es auch ruhige Stadtviertel mit gemütlichen Restaurants, den guten alten Tante-Emma-Läden, Erholungs- und Parkanlagen sowie eindrucksvollen historischen Gebäuden. Mitten im Herzen Tokios bietet beispielsweise in einem 70 Hektar großen Park der Schintoschrein Meiji-jingu einen atemberaubenden Anblick. Zwischen dem Shopping-Paradies Shibuya und dem Geschäftsviertel Shinjuku wirkt dieser Schrein mit seinem Park wie eine Oase der Ruhe. Tokio gilt als eine der sichersten Städte der Welt und wurde bei einem aktuellen Ranking des Economist Intelligence Unit (EIU) als zweitlebenswerteste Stadt Asiens nach Osaka (ebenfalls Japan) ausgezeichnet.

Wenngleich Tokio vielleicht nicht repräsentativ für Japan als Ganzes sein mag: Es ist kaum vorstellbar, dass dies die Hauptstadt eines Landes ist, das zwei so genannte „verlorene Dekaden" mit stagnierendem Wirtschaftswachstum, wiederholten Deflationsphasen und einer steigenden Staatsverschuldung hinter sich hat. Vor einem Jahr veröffentlichte die New York Times unter dem Titel "The myth of Japan's failure"einen interessanten Artikel über diese Diskrepanz. Der Autor zeigt auf, dass Japans Wirtschaft in den vergangenen 20 Jahren in vielerlei Hinsicht gut aufgestellt war und es den Einwohnern des Landes trotz der zahlreichen wirtschaftlichen Rückschläge möglicherweise besser geht als in vielen anderen Ländern der Erde. Die Lektüre lohnt sich!

 
Opferhalle des Meiji Jingu Schreins

Diese positivere Sicht der aktuellen Lage Japans kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land künftig vor großen Herausforderungen steht. Das fehlende Wirtschaftswachstum, die hohe Staatsverschuldung, der Deflationsdruck, gegen den die Regierung verzweifelt ankämpft, und eine ungünstige demografische Entwicklung mit einer alternden Bevölkerung sind nur einige davon. Doch viele Industrieländer, vor allem in Europa, werden in Zukunft möglicherweise vor ähnlichen Problemen stehen.

Wirtschaftsausblick – was bedeutet er für Anleger?

Was lässt sich aus all dem für Aktienanlagen in Japan folgern? Die kurze Antwort würde vermutlich nicht viel lauten!

  • Ich weiß nicht, ob es der neuen Regierung unter Premierminister Shinzo Abe gelingen kann, dieWirtschaft wieder auf Trab zu bringen, der Deflation ein Ende zu setzen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Oder ob die expansive Geldpolitik angesichts der astronomischen Staatsverschuldung eine Gefahr für die Zukunft des Landes darstellt.
  • Ich kann nicht bemessen, inwiefern Inflation den binnenkonsumorientierten Unternehmen zugutekommt. Sie werden möglicherweise von mehr Konsum profitieren, jedoch durch höhere Löhne und Input-Kosten auch Druck auf der Kostenebene spüren.
  • Ich kann nicht beurteilen, ob der Vorstoß im Kampf gegen die Yen-Stärke erfolgreich sein wird bzw. inwiefern exportorientierte Unternehmen wirklich einen Nutzen daraus ziehen werden, da steigende Input-Kosten und Preisdruck von der Kundenseite einen Teil des Gewinnpotenzials abschmelzen lassen könnten.
  • Und es bleibt unklar, wie sich die extremen Ungleichheiten zwischen den Generationen weiterentwickeln: Derzeit gehört das Gros des Vermögens den alten Menschen, während die finanzielle Zukunft der jüngeren Generation alles andere als sicher ist.

Als Fondsmanager sollte ich kurzfristige politische und wirtschaftliche Entwicklungen natürlich bis zu einem gewissen Grad verfolgen. Letztendlich besteht meine Aufgabe jedoch darin, attraktive langfristige Anlageziele auszumachen, ohne kurzfristige Themen allzu sehr in den Fokus zu rücken: Ich suche rentable Unternehmen, die über mittelfristiges Wachstumspotenzial verfügen, ohne zu stark von kurzfristigen soziopolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen abzuhängen.

Doch wie findet man solche Unternehmen in einem Land, das praktisch seit über 20 Jahren in einem wirtschaftlichen Stillstand verharrt und dessen demografische Entwicklung auch für die Zukunft kein enormes Wachstum verspricht? Ein Land, dessen Privatwirtschaft aus der Boomphase in den 1980er-Jahren über einen massiven Kapitalstock verfügt – und in dem Möglichkeiten, diese Mittel angemessen zu investieren, rar gesät sind. Beim Blick auf die Zahlen der Unternehmen überrascht häufig, wie viel Liquidität sich in der aufgeblähten Bilanz verbirgt – und es erschüttert, wie wenig rentabel die Anlagen der meisten Unternehmen sind. Die Differenzierung zwischen den einzelnen Unternehmen ist in den meisten Marktsegmenten gering, und das viele Geld, das um die wenigen Anlagechancen buhlt, führt zu strukturell niedrigen Anlagerenditen. Vor diesem Hintergrund wird unsere Aufgabe, als langfristige Anleger interessante Anlagekandidaten aufzuspüren, sehr schwierig.

Japans „Hidden Champions"

Ein Bereich, in dem Japan seit jeher Spitzenreiter ist, sind die so genanten „industriellen Technologien". Im weitesten Sinne umfasst dieser Begriff einen Industriezweig, der Maschinenbau- und Produktionstechnologien für eine schnellere, einfachere, präzisere und effizientere Industrieproduktion entwickelt. Auf dem großen Feld der industriellen Automatisierung besetzen japanische Unternehmen häufigkleine Nischen, die sich auf spezialisierte technologische Anwendungen konzentrieren. Die japanische Spitzentechnologie verhindert erfolgreich, dass sich Wettbewerber aus China oder anderen Schwellenländern zu sehr annähern.

Keyence – Sensoren und Messgeräte

Ein Beispiel für solche Unternehmen ist Keyence, der führende Anbieter von Sensoren und Messinstrumenten für die Fabrikautomatisierung. Keyence zählt zu den innovativsten, rentabelsten Industrieunternehmen weltweit. Sein Alleinstellungsmerkmal sind die Qualität der Produkte, die Innovationsfähigkeit und die Bereitschaft, Kundenanforderungen zu berücksichtigen. 20% bis 30% des Umsatzes werden im Vergleich zum Vorjahr mit „neuen" Produkten erzielt (Produkte, die in den zurückliegenden zwei Jahren auf den Markt kamen). Keyence zahlt mit die höchsten Gehälter in Japan, sodass es die besten Ingenieure nicht nur für sich gewinnen, sondern auch langfristig an das Unternehmen binden kann.

Fanuc – Robotik-Champion

Fanuc, ein führender japanischer Hersteller von Industriemaschinen für die Automatisierung von Fabriksystemen, gehört ebenfalls in diese Kategorie. Das Unternehmen ist die Nr. 1 bei Industrieroboternund CNC-Systemen. Die zur Steuerung von Funktionen und Bewegungen automatisierter Maschinen einsetzbaren CNC-Systeme von Fanuc setzen weltweit Maßstäbe. Das Unternehmen hält mit 60% einen dominanten Marktanteil, der den Wettbewerbsvorsprung in puncto technologisches Know-how, Vertriebsnetz und Produktionskosten verdeutlicht.


Industrieroboter in der Automobilindustrie

 

Die Nachfrage nach industrieller Automatisierung legt weiter zu. Unternehmen wie Fanuc oder Keyence sind zum Beispiel gut positioniert, um von der Fabrikautomatisierung in China zu profitieren, wo steigende Arbeitskosten und ein verstärktes Effizienzbewusstsein das produzierende Gewerbe zu einer Automatisierung der Fertigungsprozesse zwingen. Ein gutes Beispiel ist Apple: In den zurückliegenden Jahren wurden die Investitionen in die Fabrikautomatisierung deutlich erhöht, heute ist das Unternehmen für Fanuc einer der größten Abnehmer von Robotern und so genannten Robomachines. Die Maschinen werden in den Werken des wichtigsten Apple-Zulieferers Foxconn installiert und beispielsweise für das Ausschneiden von Metallgehäusen für Apples Mobilgeräte (iPhone, iPad usw.) eingesetzt.

Doch nicht nur japanische Unternehmen aus der Fabrikautomatisierung profitieren vom Wachstumsmarkt der Smartphones und Tablets. Zwar haben große, bekannte japanische Akteure wie Sony, Panasonic oder Sharp diesen Trend verpasst und kämpfen jetzt um ihre Rentabilität. Kleinere Elektronikhersteller besetzen indes als führende Hersteller vom Komponenten mit hohem Mehrwert für mobile Geräte noch attraktive Nischen. Eine kürzlich erschienene Studie berichtet beispielsweise, dass über 50% der Bauteile des iPhone 5 von japanischen Herstellern produziert werden.

Murata Manufacturing – Gigant der Miniaturisierung

Murata Manufacturing, ein weltweit führender Hersteller von elektronischen Bauteilen auf Keramikbasis, ist ein Musterbeispiel. Seit seiner Gründung hat sich das Unternehmen auf Hochleistungskeramik spezialisiert. Die hergestellten Komponenten finden sich in zahlreichen elektronischen (Computer, Handys, Navigations- und Airbag-Systeme im Auto) sowie in medizinischen Geräten wieder. Bei Keramikvielschicht-Chipkondensatoren (MLCC) sowie bei bestimmten Mobilfunk-Bauteilen verfügt Murata über erhebliche Marktanteile, und es beliefert Apple mit Modulen beider Gruppen für die Produktion des iPhone5. Im September 2012 gab das Unternehmen die Entwicklung des mit 0,25 x 0,125 mm kleinsten keramischen Kondensators weltweit bekannt!

Nitto Denko – Folie aus Japan

Ein weiterer Schlüssellieferant für die Herstellung tragbarer Elektronikgeräte ist Nitto Denko. Als einer der weltweit führenden Folien- und Klebespezialisten verfügt das Unternehmen über mehr als 20 Produkte mit einem Spitzenmarktanteil, darunter auch optische Folien für LCDs. Das Gros der Produkte wird bei Flachbildschirmen, Handys und Computern eingesetzt. Bei der Herstellung stromleitender transparenter Folien für die Produktion von Touchscreens verfügt Nitto Denko über einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung. Unternehmen wie Apple oder Samsung nennen zwar nicht öffentlich die Namen ihrer Zulieferer – es ist jedoch davon auszugehen, dass Nitto Denkos Kundenkartei fast alle Tablet- und Smartphone-Hersteller weltweit enthält.

Alle vorgenannten Firmen sind exportorientiert: Ein großer Teil ihres Umsatzes hängt von der globalen Nachfrage ab, nicht vom Binnenkonsum. In der Vergangenheit mussten sie sich infolge der wachsenden Konkurrenz aus den asiatischen Niedrigkostenländern auf ein sehr wettbewerbsintensives Umfeld einstellen. Dabei ging es nicht nur um die Verteidigung des technologischen Vorsprungs. Auch die durch höhere Lohnkosten und eine sehr starke Währung bedingten Nachteile galt es durch Effizienz- und Produktionssteigerungen auszugleichen.

Steve Glod, Equity Fund Manager

Steve ist seit 2001 in der Abteilung Finanzanalyse und Vermögensverwaltung der Bank tätig. Seit 2011 zeichnet er für das Management von japanischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Zwischen 2005 und 2010 war er zusammen mit Luc Bauler verantwortlich für das Investmentmanagement amerikanischer Aktien für die Fonds der Bank. Steve hat an der ETHZ Zürich Maschinenbau mit Spezialisierung Betriebswirtschaft studiert, als Maschinenbauingenieur abgeschlossen und anschließend in diesem Fach promoviert. 2002 erwarb er den Finanzanalysten-Abschluss CEFA.

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