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Fünf Jahre sind vergangen, seit Shinzo Abe bei seiner Ernennung zum Premierminister versprach, Japans Wirtschaft mit seinem ehrgeizigen Abenomics-Programm wieder fit zu machen und der langjährigen Deflation ein Ende zu setzen. Seit einiger Zeit ist seine Reputation etwas angeschlagen, wobei seine politische Zukunft durch seine mögliche Verwicklung in den Morimoto-Skandal kurzzeitig gefährdet schien. Obwohl der Skandal so gut wie überstanden ist, zeigt der zeitweilige drastische Rückgang von Abes Beliebtheit, wie anfällig die Unterstützung durch seine Anhänger und Wähler ist. Vor diesem Hintergrund scheint es angebracht, die Fortschritte, die Japan in den vergangenen Jahren verzeichnet hat, erneut auf den Prüfstand zu stellen und Fragen zur Zukunft von Abenomics zu stellen.

Die Erfolge

Im September 2013, als ich den ersten Artikel zu diesem Thema schrieb, wurde immer deutlicher, dass die aggressive Geldpolitik und die daraus resultierende Abwertung des Yen die Deflation in den Griff bekommen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern würden. Seither haben die Unternehmensgewinne und die Aktienkurse eine beeindruckende Aufwärtsentwicklung verzeichnet, gleichzeitig ist eine klare Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zu konstatieren. Dank der Abwertung des Yen und der soliden Entwicklung der Weltwirtschaft sind die Exporte kräftig gestiegen, während die Binnennachfrage und die Investitionen der privaten Haushalte, der Unternehmen und der öffentlichen Hand Auftrieb durch die Verbesserung der Vertrauensindizes und die gelockerte Geldpolitik erhalten haben.

Obwohl sich die geld- und haushaltspolitischen Elemente der Agenda zumindest auf kurze Sicht als erfolgreich erwiesen haben, steht das Urteil über den Erfolg der Strukturreformen, der so genannten dritten und zweifelsohne wichtigsten Säule des Abenomics-Programms, noch aus. Im März 2014 hatte ich dazu einen Artikel geschrieben. Seither sind dank verschiedener Reformen und politischer Maßnahmen in Bereichen wie Steigerung der Frauenerwerbsquote, Corporate Governance und Tourismus greifbare Fortschritte erzielt worden, so dass diese drei Bereiche als absolute Abenomics-Erfolgsstorys gelten.

 

Ausländische Touristen (in Millionen)    

Quelle: Japan Tourism Marketing Co.

 

Zahl der weiblichen Beschäftigten in Japan (in Millionen)  

Quelle: Innen- und Kommunikationsministerium

 

Diese Fortschritte kamen unserem Japan-Portfolio zugute. Zu den zahlreichen Nutznießern des schwächeren Yen zählen global präsente Fertigungsunternehmen wie Fanuc, Weltmarktführer bei Industrierobotern und CNC-Steuerungen, Komatsu, weltweit zweitgrößter Hersteller von Bau- und Bergbaumaschinen, und Tadano, Hersteller von Industriekränen. Die Aktienkurse von Einzelhändlern wie des größten japanischen Discounters Don Quijjote und von Kosmetikunternehmen wie Kose und Kao wurden durch den Zustrom ausländischer Touristen beflügelt. Das Zeitarbeitsunternehmen Persol Holdings ist seit langem dafür bekannt, Frauen die Chance auf eine Teilzeit- bzw. befristete Beschäftigung zu geben, und ist damit ein Hauptnutznießer des von Abe ausgerufenen Ziels: die Steigerung der Frauenerwerbsquote. Die Verbesserung der Corporate Governance und die erhöhte Nachfrage seitens japanischer Pensionsfonds haben die Nachfrage nach erstklassigen Wachstumsaktien, die den Großteil unseres Portfolios bestreiten, befeuert. Die Beziehung zwischen der Performance des Portfolios und den Veränderungen auf dem Gebiet der Corporate Governance wurde in einem 2015 veröffentlichten Blog ausführlich erörtert.

 

Performance von BL-Equities Japan im Vergleich zum MSCI Japan-Index

Quelle: Bloomberg

 

Die Kehrseite der Medaille

Aber auch bei Abenomics ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Kritiker werden nicht müde, auf den offensichtlichen Reformstau in mehreren Schlüsselbereichen hinzuweisen. Yuki Masujima von Bloomberg Economics zufolge ist das stockende Wachstum der Arbeitsproduktivität eine der Hauptschwächen der Abenomics-Strategie. Viele Experten zeigen sich auch vom zu zaghaften Aufbrechen der Verkrustungen am Arbeitsmarkt enttäuscht. Dringend erforderlich wären Maßnahmen zum Abbau von Dauerüberstunden, zur Verbesserung der Work-Life-Balance, zum Abbau der Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und Beschäftigtenkategorien (Voll- und Teilzeitbeschäftigte) und zur Förderung des Wechsels von Arbeitskräften aus Unternehmen mit niedriger zu solchen mit hoher Produktivität.

Die Umsetzung der Arbeitsmarktreform gilt als kritisch, da sie direkt mit einem von Japans größten Problemen, der demografischen Entwicklung, verbunden ist. So hat Japan nicht nur mit dem allmählichen Rückgang und der Überalterung der Bevölkerung zu kämpfen, sondern vor allem auch mit der Tatsache, dass der Anteil der Menschen im Erwerbsalter rasant sinkt. Zwischen heute und 2040 wird ein Rückgang des Bevölkerungsanteils zwischen 15 und 64 Jahren um rund 17 Millionen prognostiziert; diese Zahl entspricht rund einem Viertel der derzeitig in Japan verfügbaren Arbeitskräfte. Im Lichte dieser Entwicklungen ist der Anstieg der Frauenerwerbsquote nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Demografische Entwicklung in Japan (in Millionen)   

Quellen: Weltbank, NIPSSR

 

Ein vor zwei Jahren in der Japan Times veröffentlichter Artikel beschäftigt sich mit genau diesem Thema und illustriert sehr gut, wie schwierig sich die künftige Lösung dieses Problems darstellt. Die Herausforderungen sind so groß, dass die aktuellen Konzepte, auf denen die Abenomics-Strategie fußt, bei weitem nicht ausgefeilt genug sind.

 

Die Spreu vom Weizen trennen

Somit greifen die Fragen, ob das Reformprogramm umgesetzt wird oder nicht, oder ob Abenomics ein Erfolg wird oder zum Scheitern verurteilt ist, ganz einfach zu kurz. Die ungünstige demografische Entwicklung ist eine Tatsache, mit der Japan auch in Zukunft leben muss! Dieser Tatsache sollten Investoren bei ihren Anlageentscheidungen in Japan Rechnung tragen. Es kommt also darauf an, in Unternehmen mit starken Wettbewerbsvorteilen zu investieren, die auch in einem schwierigen Umfeld wachsen und rentabel bleiben können – ohne allzu hohe Abhängigkeit vom Erfolg der Abenomics-Strategie.

Bei Anlagen in exportorientierte Unternehmen fallen die demografischen Aspekte weniger ins Gewicht, da das Wachstumspotenzial dieser Unternehmen überwiegend im Ausland liegt. Rund die Hälfte der im Portfolio gehaltenen Unternehmen fällt in diese Kategorie. Bei Anlagen in binnenmarktorientierte Unternehmen indes (auf diese Kategorie entfällt die andere Hälfte des Portfoliovermögens) sollte man diesen strukturellen Faktoren gezielt Rechnung tragen.

Der Mangel an Arbeitskräften in einigen Schlüsselsektoren könnte etliche Branchen über Jahre hinweg in Mitleidenschaft ziehen. In den vergangenen Jahren haben wir Positionen in Unternehmen aufgebaut, die für die Nutzung eines dynamischeren Arbeitsmarktes gut gerüstet sind. Außer an dem oben erwähnten Unternehmen Persol Holdings sind wir in SMS positioniert, einem Personaldienstleister, der überwiegend auf Personalvermittlung, Stellenausschreibung und -anzeigen für Pflegepersonal und medizinische Fachkräfte spezialisiert ist, sowie an Recruit Holdings, Japans führendem HR-Serviceprovider und Muttergesellschaft von Indeed, der weltweit größten Suchmaschine für Stellenangebote. Jüngst haben wir auch eine Position in TechnoPro Holdings aufgebaut, einem Vermittler von Zeitarbeitskräften im Ingenieurbereich.

Im Visier haben wir trotz der demografischen Herausforderungen auch den Einzelhandelssektor, in dem sich seit jeher zu viele Unternehmen tummeln. Die Schwierigkeit, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, ist einer der Gründe, warum es keine Alternative zu einem Scheitern unrentabler Unternehmen geben kann und warum sich Unternehmen, die kunden- und stark rentabilitätsorientiert sind, letztendlich am Markt durchsetzen werden. Die Konsolidierung des Marktes ist unausweichlich! Dabei werden Unternehmen, die ideal positioniert sind, um auf Kosten schwächerer Wettbewerber Marktanteile zu gewinnen, als Sieger hervorgehen. Beispiele hierfür sind Nitori Holdings, die Nummer eins auf dem Möbelmarkt, Ain Holdings, die größte japanische Apothekenkette, oder ABC-Mart, Japans größter Schuh-Einzelhändler.

 

 

Mögliche Kandidaten für Anlagen finden wir auch im Segment der Unternehmen, die Nutznießer der Überalterung der Bevölkerung sind. Secom, ein Quasi-Monopolist auf dem Gebiet der Sicherheitsdienste, hat sein Angebot um Notruf- bzw. Notfalldienste für allein lebende Senioren sowie um Zugangssysteme für Wohnungen und Privathäuser erweitert, da die Nachfrage älterer Menschen nach Alarmsystemen hoch ist. Ship Healthcare ist mit einem Komplettangebot für den Ausbau und die Renovierung von Krankenhäusern und Pflegeheimen, also Einrichtungen, die auch in Zukunft stark gefragt sein werden, am Markt präsent. Die bedeutendsten Wachstumschancen für das Unternehmen finden sich in der Modernisierung bestehender Krankenhäuser und ihrem Umbau im Hinblick auf die Erfüllung der höchsten Anforderungen an die Erdbebensicherheit. Die demografische Struktur kommt auch Seven & I Holdings entgegen, Japans größtem Lebensmitteleinzelhändler. Die Geschäfte des Konzerns werden in erster Linie von allein lebenden Menschen, in Vollzeit arbeitenden Paaren und Senioren besucht, also Kundenkategorien mit hohem Wachstumspotenzial.

 

 

Trauen Sie der wirtschaftlichen Entwicklung nicht? Dann investieren Sie nur in hochwertige Unternehmen!

Dank Abenomics haben sich die Aussichten für Japan mit Sicherheit aufgehellt. Die Wirtschaft ist mittlerweile seit einigen Quartalen in Folge auf Wachstumskurs, die Unternehmensgewinne markieren Rekordhochs. Diese Verbesserungen gehen zu Lasten des Staatshaushalts, während die Interventionen der Bank of Japan am Aktienmarkt alles andere als beruhigend sind. Ein weiterer und bei weitem der wichtigste Faktor ist die extrem besorgniserregende demografische Entwicklung.

Vor diesem Hintergrund ist Selektivität bei der Suche nach Anlageideen oberstes Gebot. Auch wenn der künftige Parcours des Landes schwer vorherzusagen ist, bewegen sich viele von Japans Top-Unternehmen mit Sicherheit in die richtige Richtung. Starke Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen und Präsenz in Segmenten, die strukturelle Wachstumschancen bieten, werden sich auf lange Sicht durch eine hohe Rentabilität auszeichnen und Shareholder Value generieren. Diese Unternehmen sind attraktive Investments, auch wenn der Weg zur Konjunkturerholung in Japan mit Hindernissen gepflastert ist. Bei den Unternehmen, die ausschließlich den Binnenmarkt bedienen, werden wir uns auf die Marktführer konzentrieren und jene Kandidaten meiden, deren Märkte im Zuge der ungünstigen demografischen Entwicklung schrumpfen werden.

 

Steve Glod, Equity Fund Manager

Steve ist seit 2001 in der Abteilung Finanzanalyse und Vermögensverwaltung der Bank tätig. Seit 2011 zeichnet er für das Management von japanischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Zwischen 2005 und 2010 war er zusammen mit Luc Bauler verantwortlich für das Investmentmanagement amerikanischer Aktien für die Fonds der Bank. Steve hat an der ETHZ Zürich Maschinenbau mit Spezialisierung Betriebswirtschaft studiert, als Maschinenbauingenieur abgeschlossen und anschließend in diesem Fach promoviert. 2002 erwarb er den Finanzanalysten-Abschluss CEFA.

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