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Die im vorangehenden Artikel „Investieren in Japan – Automatisierung für die Welt" erwähnten Effizienz- und Produktivitätsverbesserungen wurden vor allem in der exportorientierten Fertigungsindustrie erfolgreich umgesetzt. In nichtverarbeitenden Wirtschaftsbereichen sind solche Verbesserungen hingegen noch dünn gesät. Für Anleger bedeutet dies: Es gibt viele japanische Wirtschaftszweige, in denen rentable Unternehmen, die auf lange Sicht als Anlageziele in Frage kommen, nur schwer zu finden sind.

Bei einer der jüngsten Konferenzen führte ich ein interessantes Gespräch mit einem auf japanische Aktien spezialisierten Sell-Side-Analysten. Er zeigte mir die Effizienzunterschiede zwischen einigen Fertigungsunternehmen und Firmen aus nichtverarbeitenden Wirtschaftszweigen anhand eines einfachen Beispiels auf: „Wenn ich die japanischen Werke von Fanuc (Robotik-Unternehmen) besuche, bin ich jedes Mal aufs Neue von der hohen Perfektion und dem voll automatisierten Produktionsprozess beeindruckt. Will man hingegen in einer Filiale einer japanischen Bank in Tokio Geld nach Luxemburg oder in ein anderes europäisches Land überweisen, sollte man mindestens eine Stunde Zeit mitbringen. Denn so lange wird es bestimmt dauern, bis alle Prozeduren durchgearbeitet und die Transaktion schlussendlich abgewickelt ist."So viel zum Thema Effizienzunterschiede!

Eine neue Einzelhändler-Generation

Banken sind nur ein Beispiel für mangelnde Effizienz – der japanische Einzelhandel steht ihnen in nichts nach. Seit dem Platzen der Vermögenspreis-Blase Anfang der 1990er-Jahre litt die Branche unter einem sehr schwierigen Umfeld: Im wieder kam es zu Deflationsphasen, in denen über längere Zeiträume starker Abwärtsdruck auf die Preise und schleppende Umsätze vorherrschten. Für viele traditionelle Supermärkte, Warenhäuser oder kleine Tante-Emma-Läden entpuppte sich dies als verheerend, weil sie ihr Geschäftsmodell nicht daran anpassen konnten (oder wollten). Entsprechend niedrig war ihre Rentabilität.

Vor diesem Hintergrund kristallisierte sich eine neue Generation von Einzelhändlern heraus: Unternehmen, die Wachstum, Rentabilität und die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt stellten. Sie waren bereit, ihr Geschäftsmodell an das harte Umfeld anzupassen und durch Umsatzsteigerungen und die Eröffnung weiterer Geschäfte Wachstum zu gewährleisten. Unter diesen Unternehmen finden sich interessante Anlagekandidaten. ABC-MartDon Quijote oder Nitori verfolgen ganz ähnliche Geschäftsansätze: Bei ihnen dreht sich alles um Rentabilität, sie achten auf eine optimale Leistung, strikte Kostenkontrolle und sind mode- und designbewusst. Gleichzeitig sind sie flexibel genug, um permanent Kundenbedürfnisse und -wünsche aufzugreifen. Das Forbes Magazine fasste dies in einem Artikel über Akio Nitori, den Gründer von Nitori Holdings, so zusammen: „Diese Unternehmen sind das neue Gesicht des japanischen Einzelhandels."

In einem immer noch stark fragmentierten Markt gelingt es ihnen, ihre Marktanteile fortlaufend auszubauen– zulasten schwächerer Konkurrenten, wie kleine Läden oder große Warenhäuser ohne spezifische Ausrichtung.

ABC-Mart – Mit dem richtigen Schuh unterwegs!

ABC-Mart ist einer der größten Schuheinzelhändler Japans und mit Abstand der profitabelste. Durch ein gutes Bestandsmanagement, eine optimale Positionierung der Geschäfte an strategischen Punkten sowie qualitativ hochwertige Schuhe zu attraktiven Preisen erzielt das Unternehmen hohe operative Margen. Die Hälfte des Umsatzes stammt von margenstarken Schuhen der eigenen Handelsmarken, die in Niedriglohnländern hergestellt werden. Diese Kollektion vertreibt das Unternehmen über lokale Einzelhändler auch in Südkorea und Taiwan. ABC-Mart ist es gelungen, seine Marken erfolgreich zu positionieren und über breit angelegte Werbekampagnen bekannt zu machen.

ABC-Mart Filiale in Shibuya

Nitori Holdings – Möbel für Japan

Nitori ist die einzige große, landesweit vertretene Möbelkette Japans und steht für preisgünstige Möbel (ähnlich wie IKEA). Das Unternehmen differenziert sich von den Wettbewerbern durch sein innovatives Geschäftsmodell, das die gesamte Vertriebskette – von der Herstellung bis zum Vertrieb der eigenen Marken – abdeckt. Zusammen mit der Tatsache, dass sämtliche Produktionsstätten in Niedriglohnländern angesiedelt sind, gewährleistet dieses Geschäftsmodell einen wertvollen Wettbewerbsvorsprung. Im Gegensatz zu IKEA, das derzeit nur siebenmal in Japan vertreten ist, sind bei Nitori Lieferung, Montage und Aufbau im Preis inbegriffen. Diese Kundenfreundlichkeit spielt in einem Land, dessen Konsumenten immer älter werden und an einen tadellosen Service gewöhnt sind, eine wichtige Rolle.

Don Quijote – im Kampf gegen Windmühlen

Der Discounter Don Quijote hat seit seiner Gründung 1980 deutliche Spuren in Japan hinterlassen. Genau wie das berühmte Vorbild, das gegen Windmühlen kämpft, die es für Riesen hält, hat sich Don Quijote vorgenommen, die fest etablierten Einzelhändler mit einem revolutionären Geschäftskonzept herauszufordern. Die besondere Produktpräsentation, verlängerte Öffnungszeiten und ein positives Einkaufserlebnis zusammen mit dem Know-how im Low-Cost-Segment heben den Einzelhändler deutlich von seinen Wettbewerbern ab. Mittlerweile betreibt Don Quijote über 240 Läden, die fast alles anbieten: Von Lebensmitteln über Elektronikgeräte und Modeartikel wie Uhren oder Kleidung bis hin zu Kosmetika. Die Läden zeichnet ein einzigartiges Konzept aus, das auf Komfort, Discountpreise und einen hohen Spaßfaktor für Kunden ausgerichtet ist. Der aktuelle Geschäftsbericht bringt dies auf den Punkt: „Die Läden von Don Quijote wollen Orte des Vergnügens sein – durch eine einzigartige Präsentation soll die Einkaufsroutine zu einem unterhaltsamen Erlebnis werden." Ein Blick auf die Entwicklung der Marktanteile beweist es: Das Konzept ist definitiv erfolgreich. Im Gegensatz zum fahrenden Ritter von Cervantes scheint dieser Don Quijote den Kampf zu gewinnen.

Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Unternehmen ist, dass die jeweiligen Gründer noch erhebliche Beteiligungen halten und in der Geschäftsführung aktiv sind. 

  • Masahiro Miki, der Gründer und ehemalige Chairman von ABC-Mart, hält über 30% am Unternehmen.
  • Der Gründer und Chairman von Don Quijote, Takao Yasuda, bringt es zusammen mit seiner Familie auf 14%.
  • Akio Nitori, Gründer und President der Nitori Holdings, hält zusammen mit seiner Familie über 20% am Unternehmen.

In Japan, wo große, vom Eigentümer geführte Unternehmen selten sind und der Shareholder Value nicht immer besondere Priorität genießt, hat diese Verknüpfung von Management- und Aktionärsinteressen eher Seltenheitswert.

Auf den Punkt gebracht

Dieser Artikel sowie mein vorangehender Beitrag geben einen Einblick in unseren Anlageansatz für japanische Aktien und zeigen, welche Art von Unternehmen aus Japan unserer Methodik entsprechen. Der Schlüssel für erfolgreiches Investieren liegt unseres Erachtens in der Identifikation vonQualitätsunternehmen mit einem konkreten Wettbewerbsvorteil, der unabhängig ist von kurzfristigen Wirtschaftsereignissen und -entwicklungen. Fabrikautomatisierung, Smartphone-Produktion undEinzelhandel sind nur einige der Segmente, in denen wir in Japan attraktive langfristige Anlageziele identifizieren. 
 

Steve Glod, Equity Fund Manager

Steve ist seit 2001 in der Abteilung Finanzanalyse und Vermögensverwaltung der Bank tätig. Seit 2011 zeichnet er für das Management von japanischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Zwischen 2005 und 2010 war er zusammen mit Luc Bauler verantwortlich für das Investmentmanagement amerikanischer Aktien für die Fonds der Bank. Steve hat an der ETHZ Zürich Maschinenbau mit Spezialisierung Betriebswirtschaft studiert, als Maschinenbauingenieur abgeschlossen und anschließend in diesem Fach promoviert. 2002 erwarb er den Finanzanalysten-Abschluss CEFA.

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