Luxemburg
16, boulevard Royal, L-2449 Luxemburg
 
Montag bis Freitag
8.00 Uhr bis 17.00 Uhr

„Die Aktionäre müssen sich keine Sorgen machen, wir kümmern uns um das Geschäft“

„Die Aktionäre müssen sich keine Sorgen machen, wir kümmern uns um das Geschäft“, so Jan Boone, CEO von Lotus Bakeries. Diese Worte klingen provozierend, da Corporate Governance-Themen und der Schutz der Minderheitsaktionäre bei Anlagen in Familienunternehmen bisweilen auf der Strecke bleiben. Aber als ich diese Worte hörte, war ich nicht besorgt, sondern habe mich ganz im Gegenteil gefreut. Ich kannte das Unternehmen schon lange als Verbraucher. Und als Finanzanalyst habe ich es untersucht, mich mit Jan Boone getroffen und eine seiner Produktionsstätten im belgischen Lembeke besucht. In unserem Investmentprozess suchen wir gezielt nach gut gemanagten Unternehmen mit starken Produkten und hohem Potenzial, eine attraktive Kapitalrenditen zu erzielen und den Unternehmenswert zu steigern. Im Lichte all dieser Kriterien ist Lotus Bakeries ein Musterkandidat für die Aufnahme in unsere Portfolios.

Das Unternehmen produziert und verkauft seit 1932 traditionelle Gebäckspezialitäten, deren bekannteste Lotus Biscoff ist, ein knuspriger Zimt-Zucker-Keks „Made in Belgium“. Marke und Qualität sind wichtige Kriterien für die Familie. Die Marke ist auf ihren Kernmärkten sehr gut etabliert. Für die Anlage seiner Cashposition zu attraktiven Renditen hat das Unternehmen mehrere vielversprechende Wachstumschancen identifiziert. Lotus Bakeries ist ein Familienunternehmen der vierten Generation. Die Mehrheit der Stimmrechte befindet sich im Besitz der Familie, die seit jeher mit der laufenden Geschäftsführung befasst war. Es handelt sich um eine zurückhaltende, pragmatische, langfristig denkende Unternehmerfamilie mit hohem Zusammenhalt und hoher sozialer Verantwortung, die das Unternehmen seit jeher vorbildlich geleitet hat. Jan Boones Worte waren für uns die Bestätigung, dass wir es mit einem erstklassigen Familienunternehmen zu tun haben.

An dem Tag, an dem wir Lotus Bakeries kennenlernten, legten wir auch den Grundstein zu unserem BL-European Family Businesses-Fonds, der vor nunmehr zwei Jahren aufgelegt wurde. Es ist allgemein bekannt, dass börsennotierte Familienunternehmen zumeist eine langfristige Strategie und somit eine kohärente Entscheidungsfindung verfolgen. Trotz der erhöhten Vorsicht, die sie bei der Kapitalallokation an den Tag legen, können sie anscheinend höhere Erfolge verbuchen. Sie bauen enge Geschäftsbeziehungen auf und konzentrieren sich auf Schlüsselprodukte. Diese Strategie findet Ausdruck in einem stabileren Risikoprofil und einer besseren Widerstandsfähigkeit in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Im Laufe unserer Anlagetätigkeit haben wir gelernt, auf die besonderen Merkmale zu achten, die Familienunternehmen auszeichnen, so dass wir in der Lage sind, beständige und erfolgreiche Unternehmen zu identifizieren, bei denen keine Corporate Governance-Probleme drohen.

Kontinuität dank guter Nachfolgeplanung

Familienunternehmer sind sich darin einig, dass sie ihr Unternehmen nicht besitzen, sondern es lediglich von künftigen Generationen geliehen haben. Ihre höchste Priorität besteht darin, das Unternehmen zu schützen, auszubauen und es in bestmöglichem Zustand an die nächste Generation zu übergeben. Ganz gleich, ob es sich um die Übertragung des Eigentums und/oder der Geschäftsleitung handelt –Familien müssen die Nachfolgefrage proaktiv angehen.

Die Übergabe ist nicht einfach ein Augenblick im Leben eines Unternehmens: Die Übergabe an eine junge Generation generiert eine völlig neue Dynamik. Von vitaler Bedeutung ist dabei, dass die Unternehmenskultur und -werte erhalten und an die kommenden Generationen weitergegeben werden. Erfolgreiche, seit mehreren Generationen bestehende Familienunternehmen besinnen sich auf ihre Wurzeln und halten an den Werten ihres Gründers fest. Für sie ist die Übergabe an kommende Generationen ein langfristiger Prozess, der einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Ein erfolgreicher Generationenwechsel erfordert einen Nachfolger, der zur Übernahme bereit und gut darauf vorbereitet ist, sowie gegenseitiges Einvernehmen innerhalb der Familie und des gesamten Unternehmens.

Datalogic, ein führender italienischer Hersteller von Barcodescannern, dessen Gründer Romano Volta diese Technologie während seiner Arbeit an der Universität Bologna erfand, hat diesen Prozess soeben mit Erfolg durchlaufen. 2014 wurde seine damals 38-jährige Tochter Valentina Volta zum CEO ernannt, während ihr Vater Präsident des Verwaltungsrats blieb. Valentina Volta stand ihrem Vater wie auch dem Unternehmen sehr nahe, so dass sie dieses in- und auswendig kannte. So wusste sie, welche Werte ihrem Vater am meisten am Herzen lagen. Vor ihrem Eintritt in das Unternehmen hatte sie anderenorts bereits wertvolle Erfahrungen gesammelt. Als sich ihr Vater dem Rentenalter näherte, beschloss sie, diese umfassenden Erfahrungen in das Familienunternehmen einzubringen. Dank ihrer Ausbildung und Berufserfahrung besaß Valentina Volta die entsprechenden fachlichen und kulturellen Qualifikationen, so dass ihre Entscheidung vom Board und vom Unternehmen verstanden und begrüßt wurde. Die Übergabe verläuft reibungslos.

Stabilität durch einen starken Aufsichtsrat

Eine gute Governance ist eine unabdingbare Voraussetzung zur Wahrung eines gesunden Gleichgewichts und hohen Vertrauens innerhalb der Familie und zwischen den verschiedenen Stakeholdern. Somit ist es von großem Vorteil, wenn der Aufsichtsrat sowohl aus Familien- als auch aus unabhängigen Mitgliedern besteht. Der Zusammenhalt innerhalb der Familie ist für den kontinuierlichen Erfolg eines Unternehmens von vitaler Bedeutung. Aufsichtsratmitglieder aus dem Familienkreis haben die Rolle eines treuen Ratgebers, der das Vermächtnis der Familie über die Jahre (und die Konjunkturzyklen) hinweg wahrt und weitergibt und der weiß, wie sich geschäftliche Entscheidungen auf die familieninterne Dynamik auswirken können. Unabhängige Mitglieder sind ein Zeichen für die Emanzipation des Unternehmens von der Familie und seine Reife. Sie sind Garant für Stabilität und Objektivität, sie bringen frischen Wind, wertvolle Kompetenzen und das Potenzial für die Lösung von Interessenkonflikten in das Unternehmen ein. Außerdem helfen sie bei der Planung der Unternehmenskontinuität.

Bossard, 1831 im schweizerischen Zug gegründet, ist ein weltweit führender Vertreiber von Schrauben, der seine Kunden beim Outsourcing dieses Teils ihrer Lieferkette zuverlässig unterstützt. Anfang der 2000er-Jahre machte die Familie eine extrem schwierige Phase durch. 2001 bzw. 2004 kamen Chairman Peter Bossard und CEO Heinrich Bossard durch ein Attentat bzw. einen Flugzeugabsturz ums Leben. Dank des Zusammenhalts innerhalb der Familie sowie des Vertrauens innerhalb des Aufischtsrates und des Unternehmens konnte Bossard diese schreckliche Zeit ohne Unterbrechung der Geschäftstätigkeit und Konflikte bei der Ernennung von Nachfolgern überstehen. 2007 fiel der Aufsichtsratsvorsitz (Thomas Schmuckli) wieder an die Familie zurück, die im kommenden April mit Daniel Bossard erneut den CEO stellen wird.

Vorausschauende Schlichtung von Konflikten durch eine Familiencharta

Beim Management eines Unternehmens kann eine Vielzahl von Konflikten und Meinungsverschiedenheiten auftreten. Die Fähigkeit zur Beilegung von Konflikten durch die aktive Thematisierung von Problemen stärkt die familiären Bindungen und das Unternehmen als solches. Ein wertvolles Tool für die Familie sowie die Beziehung zwischen der Familie und dem Unternehmen ist eine Familiencharta (oder ein Familienrat). Dieses Instrument trägt insofern zur Kontinuität und Stabilität des Risikoprofils bei, als die Anforderungen, Erwartungen und Aufgaben der einzelnen Personen zur Erreichung der gesetzten Ziele präzise definiert werden. Daneben kann es generationenübergreifend wirken, z.B. durch Weitergabe von Kompetenzen und Positionen bzw. den Abgleich von Zuständigkeiten und Interessen. Gleichzeitig kann es zur Beilegung von Interessenkonflikten und zur Beherrschung der Repräsentationskosten des Unternehmens beitragen.

SEB Groupe, ein weltweit führender Hersteller von Elektrokleingeräten, hat bereits fünf Generationenwechsel vollzogen. Mittlerweile umfasst die Familie über 600 Mitglieder. SEB ist in einer extrem wettbewerbsintensiven Branche tätig, in der Beständigkeit und eine langfristige Vision von entscheidender Bedeutung sind. Die Familie betont, dass ihr Zusammenhalt durch eine Familiencharta seit jeher ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Unternehmens war.

Differenzierung durch eine Familienmarke

Die Marke ist die Familie, und die Familie ist die Marke. Die Kultivierung von Zusammenhalt und Geschlossenheit, die Bewahrung von Familienwerten und die Identifikation der Familie mit dem Unternehmen schaffen Vertrauen. Dies erklärt vielleicht, warum Mitarbeiter, Verbraucher und sogar Wettbewerber Familienunternehmen häufig als vertrauenswürdig erachten. Dadurch können sich manche Unternehmen sogar vom Wettbewerb abheben.

Brunello Cucinelli ist ein italienisches Luxuslabel und Hersteller selbst entworfener hochwertiger Prêt-à-Porter-Kollektionen. Das Unternehmen legt Wert auf solide handwerkliche Fertigkeiten und arbeitet mit einem exklusiven Netzwerk aus rund 600 kleinen Familienbetrieben in der Region von Perugia (Italien) zusammen. Es zahlt freiwillig höhere Löhne als seine Wettbewerber. Brunello Cucinelli setzt dem Wachstum seines Unternehmens bewusst Grenzen, um keinen übermäßigen Druck auf seine Lieferkette auszuüben, da er der Meinung ist, dass kleine Familienbetriebe nicht um 20% jährlich wachsen können. Zur Gewährleistung einer hohen Qualität wird jedes Kleidungsstück einer internen Kontrolle am Hauptsitz unterzogen. Mitarbeiter, die mit schwierigen Aufgaben betraut sind, haben Büros mit schöner Aussicht auf Parks und Gärten. Brunello Cucinelli hat sich zum Ziel gesetzt, der Arbeit eine moralische und wirtschaftliche Würde zu verleihen. Er bezeichnet sein Unternehmen als „humanistisch“. Seine Philosophie ist eng mit dem Markenimage des Unternehmens und seiner Produkte verknüpft und positioniert es in einer Nische mit hoher Kundentreue.

Der Gemeinschaft etwas zurückgeben

Familien sind nicht nur auf kurzfristige wirtschaftliche Interessen fokussiert. Durch ihre soziale Verantwortung und ihre Nachhaltigkeitspraktiken engagieren sie sich für ihre Mitarbeiter und ihre Umwelt, sie wissen, dass Mitarbeiter ihr wichtigstes Kapital und das Fundament ihres Erfolgs sind und dass eine enge Einbindung in die Gesellschaft und die Komunen vor Ort ein Bekenntnis der Familie zur Nachhaltigkeit des Unternehmens und seines Umfelds ist. Intern stärken solche Praktiken durch die Loyalität und das Engagement der Mitarbeiter das Unternehmen und steigern seine Produktivität und Flexibilität. Darüber hinaus stellen sie eine Bereicherung der Unternehmenskultur dar.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Technogym. Das Unternehmen fertigt und vertreibt hochwertige Fitnessgeräte. Sein Gründer und Präsident Niero Alessandri ist Verfechter einer gesunden Lebensweise, die er im Unternehmen sowie auf externer Ebene konsequent propagiert. Er verkauft nicht einfach Geräte an Kunden, sondern er vermittelt eine gesunde Lebensweise. Er hat eine Wellness-Stiftung ins Leben gerufen, die in Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungszentren und Instituten zur Gesundheitsförderung an der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen arbeitet. Gemeinsam mit dieser Stiftung schuf er das Wellness-Valley-Projekt, die erste europäische Wellness-Landschaft – ein lebendiges Labor zur Steigerung der Lebensqualität und zur Nutzung der Wellness-Idee als Vektor für die wirtschaftliche Entwicklung der Romagna-Region.

Positive Aspekte sollten überwiegen

Anlagen in ein Familienunternehmen sind speziell und mit spezifischen Risiken verbunden. Manche Familien sind sehr konservativ, bei anderen ist der Aufsichtsrat nur mit Familienmitgliedern besetzt und entsprechend abgeschottet. In manchen Fällen sind eine Verzerrung der Stimmrechte oder Interessenkonflikte aufgrund der Besitzverhältnisse gegeben. Aber diese Risiken sollten nicht überbewertet werden. Integrität und Reputation sind für Familien von großer Bedeutung. In den meisten Fällen ziehen Familienaktionäre und externe Manager zum langfristigen Wohl des Unternehmens am gleichen Strang.

Bei sorgfältiger Auswahl überwiegen die positiven Aspekte eines Familienunternehmens die negativen Faktoren. Für Anleger, die sich über die Herausforderungen im Klaren sind, die eine Kombination aus rationalem Business mit den emotionalen Aspekten eines Familienunternehmens mit sich bringt, gehe ich gerne meine Checklisten durch, um eine Bestätigung für Jan Boones Worte zu finden, damit sich die Anlage für Minderheitsaktionäre als lukrativ erweist.

Ivan Bouillot, Equity Fund Manager

Nach einer zweijährigen Erfahrung als Portfoliomanager und Investmentberater bei der Banque Degroof Luxembourg kam Ivan 2000 als Finanzanalyst für europäische Aktien zur Banque de Luxembourg. Seit 2004 zeichnet er für das Management von europäischen Aktieninvestments für die Fonds der Bank verantwortlich. Ivan verfügt über einen Abschluss in Handel und Finanzen der Hochschule ICHEC, Brüssel. Zudem besitzt er die beiden Finanzanalysten-Abschlüsse CEFA (seit 2000) und CFA (seit 2006).

Abonnieren Sie
unseren Newsletter
per E-Mail