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Der Definition des englischen Wikipedia-Eintrags zu competitive advantage zufolge liegt ein Wettbewerbsvorteil vor, wenn ein Unternehmen ein Merkmal oder eine Kombination aus Merkmalen entwickelt, dank derer es die Mitbewerber übertreffen kann.

Michael Porter identifizierte 1980 folgende fünf Wettbewerbskräfte, die in jeder Branche wirken und anhand derer sich Unternehmensstrategien analysieren lassen: Bedrohung durch Ersatzprodukte/-leistungen, Verhandlungsstärke der Kunden, Bedrohung durch neue Wettbewerber, Verhandlungsstärke der Lieferanten, Konkurrenz zwischen vorhandenen Wettbewerbern. Diese fünf Kräfte, so Porter, prägen das Wettbewerbsumfeld. Bruce Greenwald glaubt im Gegensatz zu Porter und vielen Porter-Anhängern allerdings nicht, dass diese Triebkräfte alle gleich stark sind. In seinem Buch „Competition Demystified" zeigt er auf, dass eine Kraft – die Markteintrittsbarrieren – wesentlich wichtiger ist als die anderen Kräfte. Im Porter-Schema finden sich diese Zugangshürden unter „Bedrohung durch neue Wettbewerber".

In der Wirtschaft ziehen profitable, ertragsstarke Branchen neue Unternehmen an. Anders gesagt: Wenn die Nachfragesituation einem Unternehmen gute Gewinne beschert, werden auch andere Unternehmen diese attraktive Geschäftschance erkennen und in das Marktsegment vordringen. Es treten also neue Wettbewerber ein, und mit der Zeit sinkt bei allen Akteuren die Rentabilität. Gelingt es den bereits etablierten Unternehmen nicht, den Neueintritt zu verhindern, entwickelt sich die bislang überdurchschnittliche Gewinnspanne in Richtung null (vollkommener Wettbewerb). Dies bedeutet, dass bloß noch die Kosten für das eingesetzte Kapital erzielt werden können, jedoch keine Mehrerträge. Nur wer über einen relativen Wettbewerbsvorteil verfügt, kann somit über längere Zeiträume mehr verdienen.

Greenwald zufolge sind etablierte Unternehmen innerhalb eines Marktes durch Eintrittsbarrieren geschützt – oder nicht. Kein anderer Faktor hat in der Wettbewerbslandschaft so viel Einfluss auf den Erfolg eines Unternehmens. Greenwald unterscheidet zwischen drei Arten von relevanten Wettbewerbsvorteilen:

1. Kostenvorteile, dank derer ein Unternehmen Produkte und Dienstleistungen günstiger als die Wettbewerber produzieren und anbieten kann.

Meist beruhen Kostenvorteile auf einer proprietären, durch Patente oder Know-how geschützten Technologie. Diese Technologie ist jedoch nur dann wirklich proprietär, wenn ihr Ursprung innerhalb des Unternehmens angesiedelt ist. Niedrigere Arbeitskosten (z.B. durch Produktionsverlagerung nach China) können vorübergehend einen Vorteil gegenüber langsameren Wettbewerbern ermöglichen. Doch sobald diese nachziehen, ist der Vorteil verloren.

2. Kundengebundenheit durch Gewohnheiten, Wechselkosten sowie die mit der Suche eines alternativen Anbieters einhergehenden personellen und finanziellen Aufwendungen.

Wenn Kunden aus Gewohnheit häufig und automatisch zur selben Marke greifen (z.B. bei Getränken, Zigaretten), besteht eine hohe Kundengebundenheit. Dieses Verhalten ist in der Regel bei einzelnen Produkten zu beobachten und gilt nicht für die gesamte Produktpalette eines Unternehmens. HoheWechselkosten aufgrund des zeitlichen, finanziellen und personellen Aufwands für die Suche nach einem alternativen Anbieter verstärken diese Gebundenheit ebenfalls.

Die Kundengebundenheit kann je nach Art des Produktes inhärent sein (z.B. Software) oder „geschaffen" werden. Kundenbindungsprogramme (Vielfliegermeilen, Affinity-Kreditkarten oder andere Bonussysteme) verfolgen dasselbe Ziel: Kunden sollen durch steigende Wechselkosten gebunden werden. Die Strategie von Gillette, das seine Rasierer billig verkauft und anschließend über die regelmäßig benötigten Klingen Gewinne erzielt, wurde von diversen anderen Branchen übernommen (z.B. Hersteller von Druckern und Tonern). Apple arbeitet fortlaufend an der Verteuerung eines Wechsels für bestehende Kunden: Einerseits erhöhen die Kalifornier zu diesem Zweck die Interkonnektivität zwischen den verschiedenen Apple-Geräten, andererseits bieten sie Anwendungen an, die nur schwer zu transferieren sind. Der Netzeffekt bei sozialen Medien ist ein weiteres Beispiel für hohe Wechselkosten.

3. Skaleneffekte, die die Stückkosten mit steigendem Volumen sinken lassen.

Der aus Skaleneffekten entstehende Wettbewerbsvorteil hängt nicht von der absoluten Größe des dominanten Unternehmens ab, sondern vom Größenunterschied zwischen dem dominanten Unternehmen und den Wettbewerbern, d.h. vom Marktanteil. Zudem setzen Skaleneffekte voraus, dass die Fixkosten (z.B. Forschung und Entwicklung, Werbung und Verkaufsförderung, Investitionsausgaben) einen hohen Anteil der Gesamtkosten ausmachen.

Sinken die durchschnittlichen Stückkosten mit steigendem Volumen, können kleinere Wettbewerber auf der Kostenebene nicht mit größeren mithalten (auch wenn sie über die gleiche Technologie und die gleichen Ressourcen verfügen), außer es gelingt ihnen, das gleiche Produktionsniveau zu erreichen. Ein für das größere Unternehmen hochrentables Preisniveau kann für kleinere Konkurrenten aufgrund der höheren Durchschnittskosten Verluste bedeuten.

Ein gutes Beispiel für die enge Beziehung zwischen Skaleneffekten (in Form von Marktanteilen) und Rentabilität ist der weltweite Biermarkt. Nehmen wir Deutschland und die USA: In beiden Ländern gibt es renommierte Biermarken, und die Produktionsanlagen sind hier wie dort hochautomatisiert. Es handelt sich in beiden Fällen um reife Biermärkte, und dennoch unterscheidet sich das Margenprofil des US-Marktführers deutlich von dem der deutschen Nr. 1. Die folgende Grafik zeigt, dass die Rendite in Deutschland aufgrund des hochfragmentierten Marktes wesentlich niedriger ist als im konsolidierten US-Markt, wo Anheuser-Busch einen Marktanteil von knapp 50% besitzt.

Marktanteil und operative Marge des jeweils führenden Bierherstellers pro Land

 

Quelle : Plato Logic, Unternehmensangaben, Schätzungen (2013) von JP Morgan

Bei der Bierproduktion handelt es sich um ein sehr skalierbares Geschäft. Nach den hohen anfänglichen Fixkosten für die automatisierten Produktionsanlagen und für den Aufbau des Unternehmens fallen später für die Produktion einer zusätzlichen Flasche Bier nur noch minimale variable Kosten an. Mit der wachsenden Größe eines Unternehmens verteilen sich die Fixkosten auf mehr Flaschen, und die durchschnittlichen Kosten je Flasche sinken. Das beherrschende Unternehmen profitiert von einem positiven Kreislauf und verfügt über mehr Mittel als die Wettbewerber – sei es für Forschung und Entwicklung, für Werbung und Verkaufsförderung oder für Investitionen.

Im Gegenteil hierzu weisen zum Beispiel Fluggesellschaften sehr hohe variable Kosten auf, die direkt mit dem einzelnen Flugzeug verbunden sind (Crew, Wartung, Kerosin, Reinigung, Catering usw.). Eine größere Flotte reduziert die Grenzkosten je weiteren Flugreisenden nicht wesentlich, selbst unter Berücksichtigung einer stärkeren Verhandlungsmacht gegenüber einigen Lieferanten. Deshalb ist das Fluggeschäft weniger skalierbar.

Die höchste Eintrittsbarriere lässt sich vermutlich durch eine Kombination aus Skaleneffekten und einer gewissen Kundengebundenheit erreichen. Da Kunden nicht bestrebt sind, auf andere, zum selben Preis angebotene Produkte oder Dienstleistungen umzusteigen, kann das etablierte Unternehmen seinen Marktanteil problemlos verteidigen, indem es sich dem Preis des neuen Marktteilnehmers anpasst. Neue Marktteilnehmer können nicht aufholen und befinden sich bei den Skaleneffekten permanent im Nachteil.

Lokale Dominanz ist besser als globale Präsenz

Wie bereits erwähnt hängen Skaleneffekte nicht nur von der Größe ab. Die meisten Wettbewerbsvorteile aufgrund von Skaleneffekten gibt es in lokalen Märkten und Nischenmärkten, wo der geografische Raum oder die Reichweite des Produkts begrenzt sind und relativ hohe Fixkosten anfallen. Wettbewerbsvorteile basieren fast immer auf in erster Linie „lokalen" Gegebenheiten. Mit zusätzlichem Absatz außerhalb der Region steigen die Fixkosten, und die Skaleneffekte sinken. Gleiches gilt für die Einführung einer zusätzlichen Produktlinie.

Greenwald zufolge gibt es nur wenige Branchen, in denen Skaleneffekte mit globaler Größe einhergehen (z.B. Halbleiter, Software, Verkehrsflugzeuge). Die meisten anderen großen Unternehmen konzentrieren sich auf den relativen Marktanteil in den Regionen, in denen sie tätig sind (z.B. Coca-Cola). Der Schlüssel: Think local! Diese Unternehmen nehmen nicht in allen Ländern eine beherrschende Position ein – im Gegensatz zu Microsoft oder Boeing, die im Bereich ihrer Produktlinien weltweit führend sind.

„Wachstum" senkt die Eintrittsbarrieren – „Veränderung" lässt sie obsolet werden

Interessanterweise behauptet Greenwald, dass Marktwachstum in der Regel der Feind – und nicht der Freund – der auf Skaleneffekten basierenden Wettbewerbsvorteile ist. Die Stärke skaleneffektbasierter Vorteile hängt direkt mit der Höhe der Fixkosten zusammen. Fixkosten bleiben erklärtermaßen auch bei einem wachsenden Markt konstant, während die variablen Kosten mindestens so rapide zulegen wie der Markt selbst. Dies führt unweigerlich dazu, dass die Fixkosten als Anteil an den Gesamtkosten zurückgehen. Demnach können Wettbewerber leichter in einen schnell wachsenden Markt eintreten als in einen langsam wachsenden.

Ein gutes Beispiel für rasch wachsende Marktsegmente dürfte das Online-Shopping sein, wo hohen Fixkosten (Einrichten der Plattform, Investitionen in Forschung und Entwicklung) relativ geringe variable Kosten gegenüberstehen. Online-Shops sind zwar sehr skalierbar; doch aufgrund des starken Marktwachstums stellen die hohen Fixkosten kein Problem für neue Akteure dar, weil sie sich auf einen rapide wachsenden Kundenstamm aufteilen lassen.

Die größte Gefahr für Wettbewerbsvorteile liegt in der Veränderung. Warren Buffett formulierte es so: „Unser Ansatz ist, eher von einem Mangel an Veränderung zu profitieren als von Veränderung. Bei Wrigley-Kaugummi ist es der Mangel an Veränderung, der mich anspricht. Ich glaube nicht, dass es unter dem Internet leiden wird. Dies ist die Art von Unternehmen, die ich mag." Porter widmet sich diesem Risiko unter „Bedrohung durch Ersatzprodukte/-leistungen". Eastman Kodak gilt als sehr bekanntes Beispiel für ein ehemals marktbeherrschendes Unternehmen, das zum Opfer der Veränderung wurde, als die Digitaltechnik zum neuen Standard in der Fotografie avancierte. Die größten Wettbewerbsvorteile sind nichts mehr wert, wenn sich das Geschäftssegment des Unternehmens wandelt.

BL-Emerging Markets und „Business-Like Investing"

BLI investiert nach einem unternehmerischen Ansatz in Aktien. Aufgrund dieser Einstellung kaufen wir nicht einfach Aktien, sondern wir erwerben eine finanzielle Beteiligung am Unternehmen. Als Unternehmer möchten wir am langfristigen Erfolg der Gesellschaft teilhaben. Deshalb ist für uns wichtig, dass sich das Unternehmen mit seinen verschiedenen Aktivitäten im Wettbewerb behaupten und auf Sicht der kommenden Jahre profitabel arbeiten kann. Die Analyse der Wettbewerbsvorteile ist deshalb ein Grundstein unseres Anlageprozesses.

In den Schwellenländern stoßen wir mit diesem Ansatz auf viele Unternehmen, die unsere Kriterien in puncto Wettbewerbsfähigkeit nicht erfüllen. In dieser Region gibt es per definitionem eine große Zahl von:

  • Unternehmen, die kommodisierte Produkte und Dienstleitungen anbieten. Sie stellen im Wesentlichen identische Produkte für preisorientierte Kunden her und sind einem harten Kampf ums wirtschaftliche Überleben ausgesetzt.
  • Unternehmen, die im Vergleich zu den Pendants in den Industrieländern in puncto technologisches Know-how hinterherhinken. Sie verfügen nicht über die notwendige Größe oder Erfahrung, um sich in der Forschung und Entwicklung einen Spitzenplatz zu sichern.
  • Reinen Montageunternehmen, deren einziger Wettbewerbsvorteil ihre billigen Arbeitskräfte sind. Einige dieser Unternehmen werden zwar sehr effizient geführt, aber die Gefahr, dass der unternehmensspezifische Schlüsselvorteil von der Konkurrenz kopiert oder durch steigende Arbeitskosten erodiert wird, ist zu hoch. Zudem sind sie tendenziell price takers, d.h. sie können ihre Preise nicht selbst bestimmen, und damit das schwächste Glied in der gesamten Produktionskette.
  • Staatsunternehmen oder Unternehmen, die stark unter politischer Einflussnahme stehen. Einige dieser Unternehmen verfügen durch Begünstigungen der Regierung über Wettbewerbsvorteile (z.B. zugelassene Monopole, Subventionen, Finanzierung) und sind derzeit möglicherweise sehr profitabel. Der Wettbewerbsvorteil ist jedoch nicht unternehmensinhärent und damit langfristig nicht gesichert.

Im Fonds BL-Emerging Markets halten wir zahlreiche, gemessen am Marktanteil regional dominierende Unternehmen, die mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen punkten. Die meisten sind bereits seit Jahrzehnten in ihren Heimatländern tätig. Sie konnten Skalenvorteile und einen wachsenden Markenwert aufbauen, ihre Vertriebsnetze optimieren und sich auf die lokalen Präferenzen einstellen. In den Schwellenländern gibt es keine größere Zahl global dominierender Unternehmen, sondern viele lokale Akteure, die sehr profitabel sind, weil sie über Jahre Markteintrittsbarrieren errichtet haben.

 

Quellenangaben:
„Competition Demystified: A Radically Simplified Approach to Business Strategy"; Bruce C. Greenwald, Judd Kahn; 2005
„Competitive Strategy"; Michael E. Porter; 1980

Marc Erpelding, Fund Manager

Marc ist Fondsmanager bei BLI. Nach seinem Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) sammelte Marc in Zürich und New York als Bauingenieur erste Erfahrungen in der Industrie. Nach seinem Master-Abschluss in Management am King's College in London kehrte Marc in seine Heimat zurück und kam 2002 zur Abteilung Vermögensverwaltung der Banque de Luxembourg. Marc ist seit 2005 CIIA-Finanzanalyst und seit 2007 für Emerging Markets-Aktien verantwortlich.

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