Gold: Vorübergehende Korrektur oder Ende des Hausse-Zyklus?
"While nature essentially controls the quantity of gold in existence, it is men who assign it values in terms of dollars and pounds and rubles." "When we look at the alternations between inflation and deflation in our history, men seem to have done a poor job of regulating the supply of money." (Peter Bernstein)
Diese beiden Zitate des Wirtschaftswissenschaftlers und Buchautors Peter Bernstein, zu dessen wichtigsten Werken sicherlich "The Power of Gold: The History of an Obsession"* zählt, bringen die Problematik auf den Punkt, der jeder goldinteressierte Anleger gegenübersteht:
- Gold hat keinen inneren Wert. Deshalb ist es unmöglich, zu einem gegebenen Zeitpunkt zu entscheiden, ob das gelbe Metall über- oder unterbewertet oder ob ein Kursrückgang (bzw. Kursanstieg) übertrieben oder gerechtfertigt ist.
- Die Goldnachfrage (und damit der Preis) stieg in der Vergangenheit meist in Phasen, in denen das Vertrauen in die Geldpolitik der Zentralbanken schwand.
Gold ist nicht mit traditionellen Anlagen vergleichbar
Diese beiden Faktoren erklären auch, warum die von Goldskeptikern häufig angeführte Einschätzung Warren Buffetts zu Gold zwar interessant ist, aber am Kern vorbeigeht. Warren Buffett sagt grosso modo, dass „Gold nichts erschafft; in 100 Jahren werden die heutigen Vorräte von 170.000 Tonnen immer noch 170.000 Tonnen sein" (Investitionen in Unternehmen, Anleihen, Immobilien usw. erwirtschaften hingegen Dividenden-, Zins- und Mieteinkünfte). Auch wenn dies zutrifft, kann der Kauf von Gold nicht mit traditionellen Anlagen verglichen werden. Das gelbe Metall sollte vielmehr als Währung betrachtet werden, die jedoch im Gegensatz zum Papiergeld nicht durch die Notenbanken beliebig vermehrt werden kann (der Vorteil) und keine Zinsen erwirtschaftet (das Manko). In von starkem Vertrauen in die Währungsbehörden geprägten Phasen ist der Vorteil des Goldes gering, während das Manko in den Vordergrund tritt. In Phasen geringen Vertrauens spielt der Vorteil eine wichtige Rolle, und das Manko rückt in den Hintergrund (vor allem, weil die Zinsen in diesen Phasen in der Regel niedrig bzw. real sogar negativ sind). Im Vergleich zum USD (sowie den meisten anderen Währungen), der in den vergangenen 40 Jahren etwa 85% seiner Kaufkraft verloren hat, schneidet Gold relativ gut ab.
1980 bis 2000: Rückgang um 60%
Der Kursanstieg der vergangenen zwölf Jahre sowie die Goldpreiskorrektur seit September 2011 sollten vor diesem Hintergrund beurteilt werden. 2000 bewegte sich der Goldkurs auf einem sehr niedrigen Niveau, da er zwischen 1980 und 2000 über 60% eingebüßt hatte. In dieser Zeit genossen die Währungsbehörden sowie die Regierung der USA ein sehr hohes Vertrauen. Grund hierfür waren die auf Inflationsbekämpfung ausgerichtete Politik der Federal Reserve unter Paul Volcker sowie die Politik des starken Dollar der Clinton-Regierung. Der Vorteil des Goldes (Fluchtwert in Phasen verfehlter Währungspolitik) spielte kaum eine Rolle, während das Manko (Opportunitätskosten mangels Zinserträgen) extrem in die Waagschale fiel. Zudem hatte die starke Hausse des Goldkurses in den 1970er-Jahren – zeitlich versetzt – in den nächsten beiden Jahrzehnten zu einer erheblichen Erhöhung der Goldproduktion geführt. Anfang des neuen Jahrtausends war der Goldkurs unter die Marke von 300 USD/Unze gesunken. Auf diesem Niveau ließen sich in zahlreichen Minen die zur Aufrechterhaltung der Produktion erforderlichen Investitionen nicht mehr rechtfertigen. Die Zentralbanken verkauften ihre Goldreserven, und die Goldminen bauten Hedging-Positionen auf, indem sie ihre künftige Produktion auf Termin verkauften. Die Gold-Stimmung konnte kaum schlechter sein.
2000 bis 2011: Trotz Korrekturen stark steigender Trend
Diese Faktoren drehten nach dem Jahr 2000: Allmählich stellten die Goldminen die Vorwärtsverkäufe ein. Parallel zur Wirtschaftsentwicklung wuchs auch die Goldnachfrage aus den Schwellenländern. Durch die Terroranschläge vom September 2001 kam zusätzlich ein geopolitisches Element ins Spiel. Die Irrtümer der Geld- und Wirtschaftspolitik der USA, die die meisten Industrieländer übernommen hatten, wurden immer offenkundiger. Seit 2000 hat sich beim Gold ein Hausse-Trend etabliert – trotz temporärer, mehr oder weniger ausgeprägter Korrekturen wie beispielsweise der 30%-Rückgang zwischen März und November 2008, der vermutlich durch die Panikstimmung im Zusammenhang mit der Finanzkrise ausgelöst worden war. Angesichts der Tatsache, dass die Begeisterung der Anleger für das gelbe Metall 2010 und 2011langsam etwas zu sehr überhandnahm, kann die aktuelle Korrektur nur begrüßt werden.
Und jetzt?
Handelt es sich wirklich nur um eine Korrektur? Diejenigen, die überzeugt sind, dass der Hausse-Zyklus des Goldes beendet ist, glauben auch, dass die Wirtschaftskrise demnächst überwunden ist und die Weltwirtschaft auf dem Weg zu einer nachhaltigen Erholung ist. Träfe all dies zu, würde die Geldpolitik der großen Industrieländer schrittweise normalisiert werden und das gelbe Metall verlöre seine Anziehungskraft als Fluchtwert bzw. als Absicherung gegen das systemische Risiko.
Goldkurs in USD
Quelle: Bloomberg
Ich glaube weiterhin, dass die Faktoren, die für Gold sprechen, präsent bleiben:
- Im aktuellen von Überschuldung und Deflationstendenzen geprägten Wirtschaftsumfeld setzen die Zentralbanken ihre expansive Geldpolitik fort. Dies führt über negative reale Zinsen zu einer Entwertung des Papiergelds.
- Diese Politik begünstigt einen weiteren Anstieg der Verschuldung und führt zu einer falschen Kapitalallokation, nichtproduktiven Investitionen und möglicherweise Spekulationsblasen.
- In einem von Überschuldung geprägten Umfeld ist es unrealistisch anzunehmen, dass die Zentralbanken die von ihnen geschaffene Überliquidität gegebenenfalls kurzfristig wieder abziehen und die Zinsen normalisieren könnten.
- Die Notwendigkeit, Strukturreformen zur langfristigen Konsolidierung der öffentlichen Finanzen in den Industrieländern einzuleiten, kollidiert mit der Realität der demokratischen Prozesse.
- Das Vertrauen in die Integrität der Regierungen und Notenbanken sinkt stetig. Parallel dazu nimmt die Suche nach Fluchtwerten zu.
Der Goldkurs wird im Wesentlichen durch die Goldnachfrage zu Anlagezwecken bestimmt, während die Nachfrage für den industriellen Einsatz relativ stabil bleibt. Die oben angeführten Faktoren beeinflussen diese Nachfrage. Angebotsseitig stagniert die Goldproduktion seit 2000, nachdem sie in den 1990er-Jahren deutlich hochgefahren worden war. Die Goldminen konzentrieren sich zunehmend nicht mehr auf die Maximierung der Produktion, sondern auf die Maximierung des Free Cash Flows. Diese Tatsache spricht nicht für eine massive Erhöhung des Angebots in den nächsten Jahren.
Goldproduktion (Tonnen)
Quelle: Gluskin Sheff
Derzeit ist die Lage ruhig. Angesichts steigender Börsen sind offenbar immer mehr Beobachter überzeugt, dass sich die Weltwirtschaft auf dem Weg zu einer nachhaltigen Erholung befindet. Seit der Versicherung von EZB-Chef Draghi, dass die EZB alles Erforderliche tun werde, um den Euro zu retten, ist die Krise der Eurozone für viele Anleger in den Hintergrund gerückt. Solange diese Ruhe anhält, hat Gold nur eine geringe Anziehungskraft. Möglicherweise werden wir sogar weitere Kapitalabflüsse bei in Gold investierenden Indexfonds beobachten. In diesem Fall müssten diese Fonds aufgrund der Anteilsrückgaben physisches Gold verkaufen, und es entstünde eine Art Teufelskreis.
Das Umfeld ist weiterhin gold-freundlich
Es kann somit keinesfalls ausgeschlossen werden, dass der Goldkurs weiter sinkt. Die Anhänger der technischen Analyse verweisen immer wieder auf die wichtige Unterstützung bei ca. 1550 USD. Würde diese durchbrochen, könnte es zu umfangreichen Verkäufen kommen. Es ergibt jedoch keinen Sinn, seine Anlagestrategie auf vorübergehende Kapitalflüsse aufzusetzen, die eintreten können oder auch nicht. Das konjunkturelle Umfeld spricht weiter für Gold, und der vorherrschende Pessimismus rund um das gelbe Metall (und Goldminen) ist eher positiv zu bewerten. Während der letzten großen Gold-Hausse in den 1970er-Jahren büßte der Kurs zwischen Februar 1975 und August 1976 rund 45% ein. Viele Beobachter glaubten damals, dass die konjunkturellen Voraussetzungen, die die Hausse 1973 und 1974 ausgelöst hatten, nicht mehr vorhanden und der Hausse-Zyklus beendet sei. In den drei darauffolgenden Jahren schnellte das gelbe Metall um rund 700% in die Höhe!
* Peter Bernstein. The Power of Gold: The History of an Obsession
(John Wiley & Sons. ISBN 0-471-25210-7)