Wer kauft eigentlich eine Anleihe mit negativer Rendite ?
Angesichts der immer weiter eskalierenden Bankenkrise in Spanien (Bankia wurde am vorvergangenen Wochenende mit 19 Mrd EUR Staatsgeldern gerettet, der spanische Zentralbankchef ist zurückgetreten (worden), allein im April wurden von spanischen Banken Depots in Höhe von 31 Mrd EUR abgezogen, 184 Mrd EUR an problematischen Krediten (insbesondere an Immobilienentwickler) befinden sich laut Bloomberg noch auf den Büchern der spanischen Banken usw) ist es verständlich, das Anleger spanische (Staats-)Anleihen meiden. Es ist also logisch, dass sowohl absolut als auch relativ zu den vermeintlich stabilen Kernländern Europas die Renditen spanischer Staatsanleihen steigen.
Rendite der 10jährigen Staatsanleihe Spaniens
Differenz der Rendite zwischen der spanischen und der deutschen 10jährigen Staatsanleihe
(Quelle : Bloomberg)
Dabei scheinen aber auf den Märkten kaum direkte Spekulationen gegen Spanien zu laufen. Dazu ist das Risiko, dass die EZB über Nacht beschließt, massiv spanische Staatsanleihen zu kaufen, einfach zu hoch. Immerhin hat sie dies bereits in der Vergangenheit getan.
Obwohl dies sicherlich kurzfristig zu einem Anstieg der Kurse führen würde, wäre ein Eingriff der EZB in den Markt dabei für die Besitzer spanischer Staatsanleihen fundamental eine schlechte Nachricht. Da, wie es bei Griechenland bereits der Fall war, die EZB als bevorzugter Schuldner behandelt würde, werden nicht-staatliche Anleger bei einer möglichen Umschuldung weniger erhalten. Ein Eingriff der EZB in den Markt ist also ggf ein Grund mehr spanische Staatsanleihen zu verkaufen.
Bevor es aber zu der Umschuldung kommt, würde Spanien sicherlich zuerst unter den EUR-Rettungsschirmgehen. Aber das scheinen die Politiker heute (noch) kategorisch auszuschließen. Das haben sie allerdings in Griechenland, Portugal und Irland auch bis kurz vorher auch getan. In der Tat gingen diese Länder unter den Rettungsschirm als die Rendite der jeweiligen 10jährigen Staatsanleihe über 7% lag. Die von Spanien lag am Freitag schon bei über 6,5% p.a. Es kann also schnell geschehen.
Wenn ein Land unter dem Rettungsschirm ist, bedeutet das aber nicht zwangsweise, dass es baldUmschulden wird (immerhin sind Portugal und Irland schon seit einiger Zeit unter dem Rettungsschirm ohne umgeschuldet zu haben). Ob es letzlich soweit kommen wird, das zeigt das Beispiel Griechenlands, ist dann aber nur noch eine politische Entscheidung und daher spekulativ. Wenn es soweit kommt, dann werden die internationalen Institutionen bevorzugt behandelt und für den privaten Anleger wird es sehr schmerzhaft.
Eine Anlage in spanische Staatsanleihen ist also eine Spekulation darauf, dass entweder Spanien bis zur Rückzahlung der Anleihe allein oder unter dem Rettungsschirm ohne Umschuldung durchkommt. Da der Gang unter dem Rettungsschirm, eine Umschuldung und insbesondere deren Zeitpunkt aber rein politisch gesteuert sind, gibt es keinerlei ökonomische Modelle, dieses Risiko zu bewerten. Ich wünsche jedem Anleger, der spanische Staatsanleihen kauft, viel Glück mit dem Timing.
Ach ja, einige Kommentatoren sind der Meinung, dass der Gang Spaniens unter den Rettungsschirm der Lakmustest für die europäischen Institutionen wäre. Der Meinung bin ich nicht: Auch wenn die Schulden der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone mit ca. 750 Mrd EUR etwa dreimal so groß sind, wie die Summe der bisher unter dem Rettungsschirm befindlichen drei Ländern, wurden der ESM bzw. der EFSF genau so ausgelegt, dass Spanien noch drunter passen würde. Solange die Krise nicht noch auf eine weitere große Volkswirtschaft (z.B. Italien) überschwappt, sollte also der Rettungsschirm groß genug sein.
Germany set to borrow for free (www.FT.com 22/5/2012)
Trotz dieser immensen Probleme in Europa stellt sich die Frage, wieso kann Deutschland, das ja eventuell alsder Retter der Eurozone viel Geld riskieren muss, fast 5 Mrd EUR einer zweijährigenBundesschatzanweisung verkaufen ohne dafür Zinsen zahlen zu müssen? Im Laufe der Woche war es sogar so, dass es Käufer gab, die diese Anleihe mit einer negativen Rendite gekauft haben. Warum kauft jemand eine Anleihe, die ihm garantiert weniger Geld zu bekommen, als er gezahlt hat?
Die Antwort ist, dass der Kauf einer deutschen Staatsanleihe selbst bei einer negativen Rendite eineVersicherung gegen ein Auseinanderbrechen des Euros ist. Eine deutsche Staatsanleihe, die hinterher in „neuer D-Mark" umgeschrieben wird, wird auf Grund des Währungseffekts quasi über Nacht 40-50% an Wert gegenüber der Währungen der Peripherieländer gewinnen. Ein Anleger, der ein Auseinanderbrechen der Eurozone für möglich hält, kann also mit dem Kauf einer Bundesanleihe sein Portfolio gegen dieses Risiko absichern. Halte ich die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens für 5% und den folgenden Wertverlust meines Anleihenportfolios (südeuropäischer Länder) für 50% gegenüber den deutschen Staatsanleihen, so kann ich mich mit einer Anlage von 2,5% in deutschen Staatsanleihen versichern. Selbst wenn die Renditeerwartung für diese 2,5% negativ ist, ist das eine billige Versicherung.
Ähnliches gilt für die Schweiz. Dort wurden vergangene Woche z.B. fast 750 Millionen CHF Schatzanweisungen über drei Monate mit einer negativen Rendite von -0,2% p.a. verkauft. Ist das der Preis für die Versicherung, dass die Schweiz ihre Bindung an den Euro aufgeben wird?
Ja, denn wenn die Schweiz diese Bindung aufgeben würde, würde der CHF sicherlich über Nacht deutliche an Wert gewinnen.
Nein, denn eigentlich würde es reichen den CHF physisch zu kaufen oder einfach CHF auf dem Bankkonto zu halten. Die negative Rendite spiegelt dann den Qualitätsunterschied zwischen einer Bank und dem schweizer Staat dar.
Diversify in Quality
Was soll also heute ein Anleger tun, der sein Geld in Anleihen anlegen will? Eine Anlage in Staatsanleihen von Krisenländern ist grundsätzlich eine Spekulation, egal ob es zu einem Auseinanderbrechen der Eurozone kommt, oder nicht.
Für einen Anleger außerhalb der Eurozone macht es wenig Sinn in EUR-Anleihen zu investieren. Bis zu einer endgültigen Klärung, was mit dem Euro passieren wird, wird die Währung unter Druck sein. Selbst andere Anlagen, z.B. günstig bewertete Aktien qualitativ guter Unternehmen, sollte diese Anlegergruppe gegen einenfallenden EUR absichern. In derselben Logik empfiehlt es sich für Euro-Anleger breit in Fremdwährungen zu diversifizieren. Als traditionelle Fluchtwährung sollte er dabei auf jeden Fall zu einem Teil in USD, auch wenn die volkswirtschaftliche Situation in den USA nicht besser als in Europa ist, investiert sein.
Ein Anleger, der in der EUR-Zone lebt, wohnt und seine Einnahmen und Ausgaben in EUR hat, sollte abernicht seine gesamten Anlagen außerhalb seiner Referenzwährung haben. Dazu ist der Währungmarkt „an sich" zu volatil. Für diese EUR-Anlagen sind aber Anleihen kein rentables und/oder kein sicheres Investment. Ein „Nordeuro"-Anleger sollte besser sein Geld direkt bei einer oder mehrere „Nordeuro"-Banken anlegen. Dabei sollte er darauf achten, dass diese Banken keine wesentlichen Anlagen im „Süden" haben. Wenn er keine solche Bank findet oder „den" Banken nicht traut, dann bleibt ihm noch die deutsche Staatsanleihe mit praktisch 0% Rendite als das am wenigsten riskante Investment. Im Prinzip gilt dieses Prinzip auch für den „Südeuro"-Anleger. Er muss sich aber darüber im Klaren sein, dass ein Auseinanderbrechen des Euro auch zur Folge haben wird, dass Kapitalkontrollen eingeführt werden. Damit er in diesem Fall flüssig bleibt, muss er mit einem Teil seiner Anlagen in seinem Heimatland bleiben.
Einige Kommentatoren meinen übrigens, dass Unternehmensanleihen sicherer sind als Staatsanleihen. Das ist insofern richtig, da zum einen die Einnahmen der Unternehmen, insbesondere wenn sie qualitativ gut und global aufgestellt sind, in der Regel größer als die Ausgaben sind (gilt zur Zeit für kein Budget eines Staates der EUR-Zone) und sie zum anderen die Einnahmen dafür verwenden können, ihre Schulden zurückzuzahlen. Hinzu kommt, dass sie etwas mehr Rendite zahlen als risikoarme Staatsanleihen. Andererseits ist es völlig unklar, in welcher der neuen Währungen die Anleihen privater Emittenten ausgestellt sein werden, wenn es zu einem Auseinanderbrechen des Euro kommt. Ich bin der Meinung, dass dieses Denominationsrisiko und das normale Unternehmensrisiko mit 1,22% p.a. z.B. für eine Anleihe von Royal Dutch über fünf Jahre nicht ausreichend vergütet wird. Das gilt gerade auch im Vergleich zu den Geldmarktsätzen von ca. 1% p.a. , die die meisten soliden Banken anbieten.
Da Anleihen generell also wenig interessant sind, bleiben im Bereich der traditionellen Geldanlagen nur noch die Aktien. Und in der Tat ist dort, gerade nach den Korrekturen der vergangenen Tage, ein Hoffnungsschimmer für Anleger. Im Detail verweise ich da auf den Artikel von Guy von vor ein paar Wochen. In diesem Zusammenhang möchte ich hier vor allem für einkommensorientierte Anleger den Akzent auf hoheDividenden setzen. Auch wenn in Krisenzeiten die Aktienkurse vieler Unternehmen stark fielen (und aktuell gefallen sind), so ist es erstaunlich, wie stabil die Dividenden-Ausschüttungen vor, während und nach Krisenzeiten waren und sind. Wenn sie diese Kursschwankungen aushalten können, sind Dividendentitel wirklich interessant.
Abschließend wünsche ich Ihnen, dass sie bei ihren Geldanlagen nüchtern bleiben und nicht unüberlegt kaufen oder verkaufen.