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Die Meinung der Menschen aus anderen Kontinenten wäre sicher interessant, denn hier in Europa ist nachhaltige und verantwortliche Vermögensverwaltung der letzte Schrei. Zu welchem Preis, wie, mit welchen Mitteln und mit welcher Zielsetzung? Die Antwort ist (noch) nicht klar. Vermögensverwalter stellen eilig Teams zusammen und bauen geeignete Infrastrukturen auf – für Experten mit Erfahrung auf diesem Gebiet gibt es einen veritablen Transfermarkt.

Themenfonds, die bereits vor der Begeisterung für SRI-Fonds Rückenwind hatten, sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die Verwaltungsgesellschaften überschlagen sich in ihrer Geschwindigkeit und träumen davon, den nächsten Pictet Water aufzulegen (der Pictet Water ist einer der ältesten Themenfonds; er wurde vor über 20 Jahren aufgelegt und sein verwaltetes Vermögen lag Ende Mail 2021 bei 7,5 Milliarden Euro). Nach einer Vielzahl an Fonds im Zusammenhang mit dem ökologischen und dem Klimawandel titelte die französische Zeitschrift „Les Echos“ am 22. Juni „Social is the New Green“. Das ‚E‘ in ESG ist in der Tat etwas überbevölkert, und die Vermögensverwalter versuchen nun, mithilfe des ‚S‘ zu differenzieren. In jüngster Zeit wurden daher neue, als „sozial“ gekennzeichnete Fonds auf den Markt gebracht. Allerdings waren die ersten zu diesem Thema aufgelegten Fonds nur mäßig erfolgreich. Einige erweiterten – mangels Interesse an einem „begrenzten“ Thema – das Spektrum sogar um die Geschlechtergerechtigkeit, um sich ein mögliches Feld für den gesellschaftlichen Fortschritt im Allgemeinen zu eröffnen. 

In den Vorschriften wurde das Thema ganz selbstverständlich als repräsentativ für nachhaltige und verantwortliche Finanzen betrachtet. Tatsächlich erhalten vor allem Themenfonds die Einstufung nach Artikel 9 der SFDR-Verordnung der EU. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die positive Wirkung, die ein Fonds erzielt, beziffert werden kann, sobald ein ESG-Thema ausgewählt ist. Novethic (1) hat vor Kurzem eine erste Vergleichsgruppe analysiert, der etwas mehr als die Hälfte der französischen Nachhaltigkeitsfonds angehört, und weniger als 200 als konform mit „Artikel 9“ eingestufte Fonds – also 20 % der Vergleichsgruppe – registriert. Drei Viertel davon waren Themenfonds.

Anleger sind bereit, in dieses neue Themenfeld zu investieren

Das Angebot verdichtet sich und Kunden werden aufgefordert, sich zu äußern, ob sie ihre Anlagen nachhaltig gestalten wollen oder nicht. Eine von Invesco (2) durchgeführte Umfrage zeigt, dass 79 % der befragten Personen aussagten, ihnen sei eine Investition in nachhaltige und verantwortliche Anlagelösungen extrem wichtig, sehr wichtig oder wichtig. Bei Menschen unter 45 Jahren beträgt der Anteil sogar 90 %. Eine ähnliche Tendenz zeigt eine Studie der DWS: Demnach beabsichtigen 66 % der Pensionskassen, in den kommenden drei Jahren ihre Allokation in passive Fonds auf der Grundlage des ‚S‘-Themas zu steigern.
Das Interesse ist zwar vorhanden, aber die weitaus meisten Kunden wissen nach eigener Aussage zu wenig über das Thema und zweifeln daran, dass die Fondsverwalter die Gesamtsituation ändern können. Gleichzeitig versäumen die NGOs keine Gelegenheit, diese Anlagen nach Herzenslust in Zweifel zu ziehen und argumentieren, dass die Verbreitung von ESG-Fonds kein Qualitätsmerkmal sei und dass nach wie vor Greenwashing betrieben werde. So erläutert beispielsweise der jüngste Artikel von Greenpeace Luxemburg (3): „Sogenannte Nachhaltigkeitsfonds leiten kaum mehr Kapital in eine nachhaltige Wirtschaft als konventionelle Fonds“. Martina Holbach, Klima- und Finanzkampaignerin bei Greenpeace Luxemburg, betont: „“Kunden “grüne” Finanzprodukte anzubieten, die – im Vergleich zu regulären Fonds – keinen relevanten Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, ist Greenwashing”. 
Genau mit dieser Herausforderung sind die Vermögensverwaltungsgesellschaften konfrontiert. Wenn sie (zu) starkes Marketing betreiben, gehen sie das große Risiko ein, die Erwartungen von Anlegern auf der Suche nach sinnhaften Geldanlagen nicht zu erfüllen und so das ohnehin begrenzte Vertrauen in unsere Branche weiter zu erschüttern.

Wie steht BLI dazu?

Im Wettlauf der vergangenen Monate, in dem plötzlich alles verantwortlich und nachhaltig sein und Vorschriften und Anordnungen einhalten musste, konnte man durchaus unruhig werden, denn bekanntermaßen ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert. Bereits jetzt zeigen sich aus unserer Sicht gewisse Probleme. Die Datenanbieter bilden eine Art Oligopol, es ist schwierig, aussagekräftige Daten zu den jeweils gewünschten Impact-Zielen zu finden, neue Vorschriften sind unter Umständen nicht klar formuliert oder sind Ausdruck eines gewissen Schwarz-Weiß-Denkens, und ihre Umsetzung erfordert Geld und Zeit.
Andererseits scheint diese Eile durchaus gerechtfertigt, wenn man die Appelle des Weltklimarats IPCC bedenkt. Der Klimawandel ist ein drängendes Problem, neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Biodiversität schwindet. Auch die Einhaltung des Arbeitsrechts für alle Menschen, also die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die Diversität und auch Bildung, ist dringend notwendig. Zumindest in Europa sind die Unternehmen gefordert, schneller zu agieren. Die Finanzwelt muss ihre Finanzierungen neu ausrichten. Themenfonds bilden ein Angebot zur Begleitung dieser Veränderungen.

Auf Themenfonds haben wir uns jedoch noch nie konzentriert. Verpasste Chance oder wohl überlegte Entscheidung? Es handelt sich eher um eine Methode, an der wir festhalten und die wir für gut geeignet halten, um langfristig Sparvermögen mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen eingegangenen Risiken und erwartetem Ertrag aufzubauen. Diese Methodik ist offensichtlich dazu gedacht, sich weiterzuentwickeln, aber nicht, um sich zu verzetteln. Richtig oder falsch: Wir versuchen, uns stets an den Leitzsatz zu halten „do more of what you do best“. Unsere Methode haben wir auf verschiedene Fonds angewandt, die als Themenfonds definiert werden könnten, so zum Beispiel den BL-European Family Businesses oder der BL-Equities Dividend – aber die Grundlage ist immer dieselbe. 

Glücklicherweise sind ESG-Kriterien kein Thema an sich, sondern vor allem ein Mehrwert, also ein sehr nützliches Hilfsmittel im Rahmen der Wertpapieranalyse. Auf Ebene der Verwaltungsgesellschaft verleihen die Leitlinien für eine verantwortliche Vorgehensweise den Geldanlagen Struktur und ermöglichen eine klare Positionierung. Leitlinien beim Abstimmungsverhalten, beim Engagement, bei der SRI (Soziale Verantwortung der Unternehmen). Ausschlüsse im Vorfeld sind nach unserer Auffassung eher unpraktisch. Mit Ausnahme einiger kaum bestreitbarer Kriterien bedeuten sie, dass Werte und ethische Gesichtspunkte einbezogen werden, zu denen eine Vermögensverwaltungsgesellschaft nicht zwingend eine legitime Position beziehen kann. Wo die Grenzen zu ziehen sind, ist nicht eindeutig feststellbar. Aber Ausschlusskriterien sind nur ein kleiner Teil eines viel größeren Gedankens.

Der kohärente Aufbau einer verantwortlichen Anlagestrategie ist unverzichtbar. Im Idealfall muss sie eindeutig und transparent sein und differenziert weitervermittelt werden. Wir haben uns dafür entschieden, diesen Weg mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu gehen und uns dabei nach unserer Anlagephilosophie zu richten, ohne unser Wertversprechen aus den Augen zu verlieren: aktive und auf Überzeugungen basierende Vermögensverwaltung.

In der Umsetzung und der Kommunikation ist diese Positionierung ernst gemeint, aber nicht grundlegend anders. Wir könnten wetten, dass dieser eher globale Ansatz zwischen umsichtigem Gestaltungswillen und thematischer Sachlichkeit seinen Platz im schnell expandierenden Universum nachhaltiger und verantwortlicher Finanzanlagen finden wird.

 

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(1) https://www.novethic.fr/finance-durable/publications/etude/market-data-fonds-durables-france-mars-2021.html
(2) Research in Finance, Invesco Study - Juni 2021
(3) https://www.greenpeace.org/luxembourg/de/presseerklaerungen/11516/greenwashing-finance-nachhaltigkeitsfonds-werden-ihrem-namen-nicht-gerecht-2/ 

Fanny Nosetti, Head of Multi-Management

Fanny stammt aus dem Süden Frankreichs und arbeitet seit 1997 in Luxemburg. Nach einer ersten Berufserfahrung bei einer französischen Bank kam sie 2000 zur Banque de Luxembourg.

Hier spezialisierte sie sich auf die Fondsanalyse und das Management von Dachfonds. Fanny besitzt ein DESS-Diplom in Betriebswirtschaft der französischen Universität Nancy. In der Verwaltungsgesellschaft der Bank leitet sie das Multi-Management-Team, das für die Fonds anderer Anbieter und Dachfonds verantwortlich ist. Als Studentin der Angewandten Wirtschaftswissenschaften an der Universität Aix-Marseille III erwarb sie ihren Universitätsabschluss an der McGill-Universität im kanadischen Montreal.

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